005 - Pflege trifft … Physiotherapie
Shownotes
Die Physiotherapeutinnen Tamara und Tina erklären mit Gesundheits- und Krankenpfleger Robert was die Neuro-Früh-Reha ist. Gemeinsam schauen sie auf Therapie-Meilensteine von einem ehemaligen GBS-Patienten zurück, tauschen sich über den magischen Moment das erste Mal die Stimme von betroffenen Patienten/innen zu hören aus, und erklären, wie ein Transfer vom Bett in den Rollstuhl noch besser gelingen kann.
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Folge 005: Pflege trifft Physiotherapie
Folge 005: Aufgenommen in der neurologischen Frühreha der Dr. Becker Kiliani-Klinik
00: 00:30Neurologische Frühreha – was ist das? Lernt man das in der Ausbildung zum Physio-therapeuten / zur Physiotherapeutin?
00: 11:05Fallbeispiel Guillain-Barré-Syndrom: Acht Monate lang hatte das interdisziplinäre Team der Dr. Becker Kiliani-Klinik Herrn Erfurt auf seinem Weg begleitet – als er die Klinik gehend verließ, hatte Tamara Tränen in den Augen.
00: 14:22Therapieerfolg – wovon hängt der ab? Pfleger Robert hat nach Jahren in der Frühreha eine differenzierte Meinung.
00: 19:05Physiohacks: Transfer in den Rollstuhl | Sicherheit vermitteln | Hilfsmittel
Gordon: Willkommen zurück in dieser Folge dieses Podcast und wir sind heute in den Dr. Becker Kliniken in Bad Windsheim, der Kiliani-Klinik. Und hier ist der Schwerpunkt Orthopädie, Neurologie und aber auch Neuro-Frühreha. Und die Kolleginnen und Kollegen, die hier vor mir sitzen, sind aus der Neuro-Frühreha. Das ist die Tamara, du bist Physiotherapeutin.
Tamara: Hallo!
Gordon: Schön, dass du da bist. Die Tina …
Tina: Hallo!
Gordon: … ist ebenfalls Physio. Und der Robert, der repräsentiert hier die Pflege.
Robert: Hallo!
00: 00:30
00: Neurologische Frühreha – was ist das? Lernt man das in der Ausbildung zum Physiotherapeuten / zur Physiotherapeutin?
Gordon: Neuro-Frühreha, das ist vielleicht für den einen oder anderen Zuhörer oder die Zuhörerinnen ein bisschen erklärungsbedürftig. Was heißt denn eigentlich Neuro-Frühreha, Robert?
Robert: Das ist praktisch, Patienten, die wir frühzeitig aus der Intensiv holen, die brauchen bestimmte Kriterien, ob es jetzt eine Beatmung ist, Schluckstörung, wo Eins-zu-Eins-Betreuung
Robert: brauchen, Monitorüberwachung noch sind. Das sind so Punkte, die dann für die Phase B geeignet sind und dann zu uns kommen.
Gordon: Aus meiner eigenen Historie, wenn ich so mit den Kolleginnen und Kollegen aus der Physioschule geredet habe, wir hatten das Thema Neuro-Frühreha auch nicht so auf dem Zettel, habt ihr das in der Ausbildung behandelt? Wusstet ihr, was die Neuro-Frühreha ist, als ihr das erste Mal in Kontakt gekommen seid?
Tamara: Also wir haben es klar in der Schule besprochen, aber ich war auch hier in Bad Windsheim in der Ausbildung und habe dann hier in der Kiliani auch mein Praktikum gemacht. Und das, was man in der Schule besprochen hat, ist noch mal was eigentlich was ganz Anderes, wenn man es dann wirklich auch mal mitmacht. Also man redet immer so über die Neurologie und lernt alles theoretisch, aber es ist noch mal ganz anders, wenn man es dann sieht. Also ich hatte am Anfang wirklich Angst davor, vor der Neurologie, also Neurologie allgemein, und jetzt hier dann im Praktikum hat es mir dann so gut gefallen, dass ich dann hier unbedingt noch anfangen wollte.
Gordon: Tina, wie es bei dir?
Tina: Also ich muss sagen, in der Ausbildung wenig besprochen, ich war Gott sei Dank aber auch im Praktikum, in Bad Kissingen war das, da gibt es auch eine Frühreha. Dort war ich dann auch mal mit auf Station und konnte mir das alles so anschauen. Und ich muss sagen, es hat mir eigentlich von Anfang an wirklich gut gefallen. Es war natürlich, wie sie schon gesagt hat, komplett anders als in der Ausbildung, aber ich finde, man kommt auch so rein. Wirklich, wenn man dann hier ist auf Station, man muss irgendwie wirklich von Anfang an einfach erstmal schauen: Wie sind die Patienten so? Was kann ich mit denen machen? Aber man kommt echt gut rein.
Gordon: Also ich erinnere mich noch an meine Praktikumszeit, die habe ich auch in der Neuro-Frühreha gemacht, und mein Anleiter, nee, gar nicht, der Dozent, der dann zur Abnahme kam, dem ist erst mal schlecht geworden. Wir haben dann irgendwie den Patienten an die Bettkante mobilisiert. Der Patient hat das irgendwie so vom Gleichgewichtssinn nicht so gut vertragen, musste sich übergeben und dann haben wir diese Therapieeinheit dann alleine gemacht ohne denjenigen und ich habe trotzdem eine gute Note bekommen. Also es ist natürlich nicht für jeden etwas, weil die Patienten ja wirklich sehr, sehr schwer betroffen sind. Und da kommen wir aber gleich nochmal im Detail zu. Einer unserer Schwerpunkte hier in diesem Podcast ist ja die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Berufsgruppen. Vielleicht mit ein, zwei Worten: Wie läuft das hier, Robert? Wie ist dein Eindruck?
Robert: Klappt sehr gut. Also man arbeitet eng zusammen und das täglich, außer am Sonntag, da sind keine Therapien.
Gordon: Wie ist für euch?
Tamara: Ja, es klappt auf jeden Fall. Es gibt immer, klar, irgendwo mal eine schlechtere Zeit oder mal bessere Zeit, aber so im Großen und Ganzen, wir können immer auf jeden zugehen. Also ist alles offen, funktioniert gut.
Gordon: Ich würde gerne am Ende noch mal auf ein paar Tipps eingehen und ich würde euch, könnt ihr euch schon mal so ein bisschen darauf einstellen, nachher gerne mal so ein bisschen ausquetschen, welche Physiotipps, Physiohacks man so vielleicht den Leuten noch mitgeben kann. Bevor wir das machen, würde ich aber gerne noch mal so auf das Tagesgeschäft von euch eingehen. Jetzt stellen wir uns mal vor, da kommt jetzt ein Patient zu euch. Wie läuft das ab? Also was sind die ersten Stationen, die der Patient oder die Patientin hier durchläuft?
Robert: Also der Patient kommt, wird praktisch dann aufgenommen, einmal von der pflegerischen Seite, ärztliche, und dann kommen noch Reha-Koordinatoren, die auch noch mal, die ganzen Daten auch noch mal erfasst werden. Und am nächsten Tag fängt dann auch schon an die Aufnahmevisite, wo die Therapeuten ihre Aufnahmen machen, den Patienten kennenlernen.
Gordon: Habt ihr denn auch so Bezugstherapeuten zu den einzelnen Patienten, oder?
Tina: Ja. Also ist meistens wirklich, dass immer zwei Kollegen dann aus der jeweiligen Berufsgruppe für den Patienten zuständig sind.
Gordon: Okay. Das heißt, Patient kommt, es wird so eine Erstdiagnostik gemacht oder Befund wird erhoben …
Robert: Genau.
Gordon: … und dann am Tag 1 nach Aufnahme geht’s dann eigentlich schon los, dass die Kollegen von der Therapie dann auch ihre Befunde erheben.
Tamara: Genau. Wir haben dann immer so Stundentermine einzeln, wo wir dann die Patienten extra aufnehmen dürfen und dann einfach unsere Tests durchführen, schauen: Was kann er, was kann er nicht? Und dementsprechend wir ja dann auch unsere Therapieanzahl, wieviel er täglich bekommt, wieviel die Woche, müssen wir dann alles auch bestimmen.
Gordon: Okay. Ihr habt dann also auch für die Therapie, für den Therapieverlauf, aber auch für die Frequenz die Verantwortung?
Tamara: Ja. Genau.
Gordon: Okay. Lasst mich noch mal kurz einen Schritt zurückgehen. Ich hatte davon gesprochen, dass Frühreha-Patienten sind schwer betroffen, aber lasst uns das einfach mal so ein bisschen in Krankheitsbilder packen. Was sind das für Diagnosen oder was haben die Patienten, die hier zu euch kommen?
Robert: Also ich sag mal so, 80 Prozent sind Schlaganfälle natürlich in der Neuro. Dann natürlich, was es so noch gibt, Autounfälle, also Unfälle, irgendwelche Stürze, wo daraus eine Hirnschädigung entstanden ist aufgrund von einer Blutung oder ein Tumor im Gehirn, wo zu neurologischen Störungen führen kann. Und dadurch haben wir auch nicht nur ältere Patienten, sondern auch ab und zu auch ganz junge Patienten. Also es ist alles dabei.
Gordon: Wie läuft das so ab, wenn die Therapie schon so ein paar Tage gelaufen ist? Wann ist der erste Punkt, wo sich das Gesamtteam zusammensetzt und über den Patienten spricht?
Tina: Jeden Mittwoch haben wir ein Team, da trifft sich das ganze Team, Ärzte, Physios, Ergos, Logo und dann wird über die Patienten, über die Station gesprochen.
Gordon: Du hast gesagt oder ihr habt gesagt, dass die Patienten, die Therapeuten für die Frequenz und für die Inhalte zuständig sind. Ist das bei allen Disziplinen der Fall, also auch bei den Logopäden, Ergotherapeuten?
Tamara: Ja.
Tina: Ja. Also die Ergotherapeuten, die können dann eben auch bestimmen, brauchen sie einen Stundentermin zu zweit oder wirklich nur Halbstunden-Termine, wo sie dann alleine mit dem Patienten arbeiten können. Also das können wir uns dann eigentlich so festlegen, wie wir es wirklich brauchen.
Tamara: Sind wir relativ frei eigentlich. Das ist eigentlich auch schön, weil wir sind ja die, wo mit dem Patienten arbeiten und je nachdem, wie der Patient halt fit ist, was er kann, müssen wir halt feststellen: Kann er eine Stunde aushalten, auch die Therapie mitmachen? Würde es ihm was bringen oder halt auch nicht?
Gordon: Wir haben im Vorgespräch gesagt, ihr macht das bei allen Patienten, dass ihr als Team zusammenarbeitet, können wir da mal so ein bisschen skizzieren, wie das konkret aussehen könnte? Gerne an einem Beispiel, wir haben ja gleich noch den Herrn Erfurt hier. Vielleicht können wir den einfach als Fallbeispiel mal schon vorwegnehmen. Wie sieht denn so eine Zusammenarbeit aus zwischen der Pflege und der Therapie oder der Physiotherapie in diesem Fall?
Tamara: Naja, es fängt ja auch schon allein beim Erstkontakt an, oder. Also ich bin immer so, wenn ich weiß, ich habe eine neue Anreise, einen Befund, dann gehe ich vorher erst zur Pflege, weil ich weiß, okay, der Patient ist ja vielleicht schon einen Tag da, die Pflege hat schon mit ihm gearbeitet, kennt ihn vielleicht schon und kann mir schon was dazu sagen. Und ich finde, da fängt’s schon an eigentlich, dass wir uns untereinander absprechen.
Robert: Ja, dann können wir auch schon Fragen beantworten, wie belastbar er ist oder es Besonderheiten gibt, Grunderkrankungen oder wie stabil der ist. Müssen wir schon vorab Informationen austauschen. Und im Verlauf ist eigentlich ständige Kommunikation, also wir nehmen auch immer wieder gerne Tipps an von euch, zwecks auch Lagern, Patientenfortschritte, wie weit er schon bei der Therapie ist. Weil meistens sind die besser bei der Therapie als bei der Pflege, haben wir festgestellt. Man setzt ihn raus und in der Therapie läuft der schon.
Tamara: Bei den Ärzten sind sie nochmal besser.
Gordon: Wie ist das so mit gemeinsamen Zielen? Ein kleines Beispiel: Du würdest jetzt in der Pflege feststellen, okay, da ist jetzt die, also nach einer Halbseiten-Symptomatik ist jetzt vielleicht die betroffene Seite irgendwie zwar funktionell da, aber er könnte noch ein bisschen Kräftigung oder Mobilisierung oder sowas brauchen, wo du merkst, dass bei einem bestimmten Winkel irgendwas nicht so ist wie es sein könnte. Wie macht ihr das so mit diesem gemeinsamen Ziel, dass er selbstständiger wird, in der Pflege besser handelbar ist und wie die Kollegen dann durch die Physiotherapie zum Beispiel dann das verbessern können? Gibt’s sowas, gemeinsame Ziele?
Robert: Im Endeffekt hat man ja immer ein gemeinsames Ziel. Also man schaut schon, wenn jetzt irgendwo was Besonderes ist, ein Schwerpunkt oder sagen wir mal die gelinde Seite, die mehr betroffene Seite zeigt Funktionen, dann kann man schon, also sprechen wir schon ab, wo man sagt: Okay, da hat man einen Schwerpunkt gesetzt und schaut, oder braucht der eine Schiene? Und dann spricht man ab.
Tamara: Es fängt ja schon bei den einfachsten Sachen an, dass wir den Transfer üben für, auf die Toilette zum Beispiel und wieder zurück. Das ist ja dann auch für die Pfleger schon auch wieder einfacher. Deswegen also bei so Sachen fängt’s schon an, dass wir das dann uns absprechen einfach.
Gordon: Okay.
Robert: Also meistens ist es ja so, umso erfolgreicher die Therapeuten sind, umso einfacher wird es dann für uns Pflegekräfte.
Gordon: Geht das auch umgekehrt. Also, dass ihr merkt so: Okay, super, dass wir die Pflege haben in unserem Job?
Tamara: Ja, auf jeden Fall.
Gordon: Habt ihr da so ein Beispiel?
Tamara: Na ja, es fängt schon früh an. Die Pflege,
Tamara: die fangen ja um sechs Uhr an und wenn wir dann um acht Uhr kommen, ist das schon, ist das schon für uns auch Luxus, wenn wir in das Zimmer reinkommen und der Patient ist fertig angezogen, wir können direkt an die Bettkante, können direkt in den Stand, ins Gehen. Also das ist schon, wo auch sie uns dann viel helfen. Auf jeden Fall.
Tina: Ja, finde ich auch. Also so auch zur Mittagessenzeit oder so, wenn man sagt, jetzt vorher, sie sitzen noch im Rollstuhl, dass man mit denen wirklich auch arbeiten kann und dass danach erst gegessen wird und die Pflege dann mal den Transfer ins Bett zur Mittagsruhe einfach übernimmt. Das ist uns auch echt, also das hilft uns auch viel.
Tamara: Viel wert, ja, auf jeden Fall.
Tina: Dass wir wirklich auch zur Therapie kommen und die Pflege da einfach auch so unterstützend einfach mit tätig ist, dass das so auch funktioniert.
00: 11:05
Fallbeispiel Guillain-Barré-Syndrom: Acht Monate lang hatte das interdisziplinäre Team der Dr. Becker Kiliani-Klinik Herrn Erfurt auf seinem Weg begleitet – als er die Klinik gehend verließ, hatte Tamara Tränen in den Augen.
Gordon: Okay. Lasst uns doch mal von dem viel besagten Herrn Erfurt sprechen, der hier auch in der nächsten Folge hier direkt ins Mikrofon sprechen wird. Der hat ja eine unfassbare Reise hinter sich. Also nicht nur heute, er ist ja einige Kilometer hierhergefahren dafür, was der Wahnsinn ist, auch an dieser Stelle nochmal vielen Dank an ihn. Aber er hat mit einem sogenannten GBS-Syndrom, Guillain-Barré-Syndrom, wenn ich richtig in Erinnerung habe. Einer kann das gleich mal ein bisschen aufdröseln, weil ich kann es ja nicht mehr. Hatte er auch eine ziemlich heftige Erkrankung und ist jetzt hier und steht und überlegt, jetzt wieder Motorrad zu fahren, Trike zu fahren. Das ist ja nun eine Transformation, die bemerkenswert ist. Und sowas kann natürlich nur funktionieren, wenn man als Team auch funktioniert. Könnt ihr hier vielleicht einen kleinen Einblick geben, so aus eurer professionellen Sicht, wie kam er an, was waren so Meilensteine und was war am Ende dieser Reise für ein Ergebnis? Vielleicht fangen wir mal an mit diesem Erstkontakt. Kannst du dich erinnern, wie dein erster Kontakt mit Herrn Erfurt war?
Robert: Ja. Der ist gekommen, war noch eine Beatmung dran, Kreislauf sehr instabil.
Gordon: War er denn wach, ansprechbar oder im?
Tina: Doch, er war schon wach.
Robert: Ja. Er wach schon wach. Anfangs noch für den Transport sediert und dann langsam haben wir es runterreduziert und dann wurde der auch wacher. Hat man aber schon gleich bemerkt, ja, Panik bei ihm ein wenig, Angst. Und das auch immer wieder so ein Thema war bei ihm, die Angst. Weil im Endeffekt hatte er eine Ganzkörperlähmung, was dann alles ein wenig schwierig gemacht hat.
Gordon: Vielleicht fangen wir damit mal an. Was macht dieses GBS-Syndrom?
Tina: Also das ist eine Veränderung vom Nervensystem, eine entzündliche Veränderung. Meistens sagen die Patienten, dass vorher irgendwie ein leichter Infekt da war, dass sie erkältet waren. Und dass das dann eben sich so entwickelt mit auch Taubheitsgefühl in den Extremitäten, dass sie dann irgendwann auch nichts mehr bewegen können. Oft ist auch die Atemmuskulatur mitbetroffen, wodurch die dann auch beatmet werden müssen. Aber wenn da wirklich auch im Krankenhaus das schnell erkannt wird, auch schnell gehandelt wird, dann haben die meistens auch eine sehr gute Prognose.
00: 14:22
00: Therapieerfolg – wovon hängt der ab? Pfleger Robert hat nach Jahren in der Frühreha eine differenzierte Meinung.
Gordon: Okay. Du guckst ein bisschen, nicht skeptisch, aber du hast da eine differenzierte Meinung?
Robert: Von der Prognose?
Gordon: Mhm (bejahend). Genau.
Robert: Also von der Prognose, meiner Meinung nach kommt es darauf an, also das habe ich jetzt hier oft erlebt auch bei uns in der Frühreha, kommt’s auch auf den Patienten an. Also ich sag mal so, die Pflege, die Therapeuten und alles machen ungefähr 50 Prozent aus und die anderen 50 Prozent machen der Patient aus. Also wenn der nicht willig ist, dann geht der meistens hier im Rollstuhl raus. Ist er willig, wie bei uns jetzt unser Paradebeispiel, der Herr Erfurt, wo wirklich Schmerzen in Kauf nehmen musste, gelitten hat und nicht aufgegeben hat und dann hier herausspaziert.
Gordon: Was war der erste Meilenstein, den ihr erreicht habt mit ihm?
Tina: Dass wir ihn, ich glaube, das war nach einem Monat, oder, dass wir ihn dann mal an die Bettkante bringen konnten.
Tamara: Definitiv. Ja.
Gordon: Also, dass der Kreislauf oder das vegetative Nervensystem war so runter, dass die Bettkante mal schon, dass es dann ein erster Meilenstein war.
Tamara: Genau. Überhaupt, dass er dann …
Gordon: Nach einem Monat. Wahnsinn! Das sind diese Kleinigkeiten, die man dann feiern muss in dem Moment.
Tamara: Ja.
Gordon: Konnte, Hand aufs Herz, konnte Herr Erfurt da seine Angst ein Stück weit ablegen, oder? Nee, ne?
Tina: Mhm (verneinend). Also der Herr Erfurt, ich glaube, das ist halt einfach auch schwer. Wenn du so mitten im Leben stehst und auf einmal bist du auf andere Menschen angewiesen. Und dann kommen zwei so junge Mädels auch und wollen dich an die Bettkante setzen. Und du so denkst du vielleicht auch als Mann so: Oh nee, bloß nicht. Vielleicht lassen sie mich ja fallen oder so. Ich glaube, das ist ganz, ganz schwer. Und muss man auch sagen, er war da auch einfach ängstlich und hat dann auch zuletzt immer nur bestimmten Therapeuten oder auch Pflegern getraut und wollte auch nur von denen oder so bewegt werden.
Gordon: Auch ein Stück weit nachvollziehbar.
Tina: Ja. Auf jeden Fall.
Gordon: Also Bettkante haben wir, ich habe ihn ja stehen und gehen sehen. Was war als nächstes? Also das war Meilenstein Nummer 1. Dann kommt irgendwann aus dem Sitz in den Stand oder hat er dann irgendwie, weiß ich nicht, einen größeren Fortschritt gemacht im Sinne von, dass man nach dem Stand recht zügig in den Gang gehen konnte, oder wie war das?
Robert: Ich glaube, ein Meilenstein war schon, wo er so viel Kraft hatte eigentlich in den Händen, dass er mal sich melden konnte mit einem normalen Klingeln.
Tina: Das Schnalzen.
Robert: Ein Getränk, ein Glas, also die Kraft genug hatte, dass er selber trinken konnte. Weil bis dahin mussten wir anfangs ihn mit Sondenkost ernähren, bis dann die Logo ihre Arbeit super erledigt hat, dass er mal was essen konnte. Aber da mussten wir viel eingeben, weil er einfach körperlich einfach zu schlecht war.
Tamara: Ja, ich finde, bevor wir jetzt zum Stehen oder Gehen kommen, fand ich auch einen Meilenstein, dass er überhaupt wieder sprechen konnte, dass wir was von ihm hören konnten. Es war ja wirklich schön, also ist allgemein schön, wenn du das erste Mal ins Zimmer gehst vom Patienten und auf einmal zum ersten Mal seine Stimme hörst. Und das ist, finde ich, für mich auch immer was ganz Besonderes.
Gordon: Das war damals bei uns auch immer so. Es ging immer so ein Raunen durch die Station.
Tamara: Genau.
Gordon: Und dann hört man die Stimme und manchmal hatte ich das Gefühl gehabt so: Oh, den habe ich mir anders vorgestellt. Habt ihr das auch?
Tina: Genau. Ja.
Tamara: Aber es ist halt schön, wenn er dann sagen kann, was er will, wo er Probleme hat oder so. Und das ist wirklich echt super.
Gordon: Und dann ging das so seinen Gang im wahrsten Sinne des Wortes. Der Kreislauf wurde besser, mobil an die Bettkante, auch die Kommunikation wurde dann besser und damit bestimmt auch ein bisschen mehr Sicherheit noch mal, könnte ich mir vorstellen. Und dann ging es dann in den Stand und Gang. Und er war insgesamt, hat er mir vorhin verraten, 7 Monate erst in Würzburg und dann hier, ne?
Tamara: Mhm (bejahend).
Gordon: Wahnsinn! Könnt ihr euch an den Moment erinnern, wo er hier gehend rausgegangen ist?
Tina: Ja.
Gordon: Wie war das für euch?
Tamara: Sehr emotional. Also ich hatte auch ein paar Tränen in den Augen, weil wir waren von Anfang an hier und diesen Weg zu sehen wie er ihn gegangen ist. Und er hat immer 100 Prozent gegeben. Das war echt schön. Das ist eine intensive Zusammenarbeit auch zwischen Patienten und Therapeuten und man freut sich unheimlich. Wenn er dann sein Ziel geschafft hat, er wollte hier unbedingt gehend raus. Und dann hat er es geschafft.
Gordon: Und wie ist das jetzt, wenn er hier reinkommt und er hat ja einen gewissen Charme, der Herr. Ist das cool zu sehen so, hey, das ist irgendwie unsere Arbeit hier?
Tamara: Ja.
Tina: Auf jeden Fall.
Robert: Auf jeden Fall, weil das baut halt auch, gibt einen so einen Motivationsschub. Weil wir haben auch viele Patienten, wo ich sage, wo das nicht schaffen oder wo dann in ein Pflegeheim gehen oder ganz andere Richtung gehen. Und dann ist sowas manchmal, wenn man so eine Phase hat, wo wenig Erfolge zu sehen waren bei Patienten, wenn dann so einer kommt und baut halt einen ganz schön auf dann.
00: 19:05
Physiohacks: Transfer in den Rollstuhl | Sicherheit vermitteln | Hilfsmittel
Gordon: Ich habe es ja angekündigt, angedroht, dass ich euch noch so ein paar Tipps aus den Rippen leiern möchte. Wir haben ja jetzt über Patienten gesprochen, die bettlägerig sind, die vielleicht schwer betroffen sind, die also ein gewisses Handling brauchen, um sie zu mobilisieren. Jetzt habe ich ja grad mal Physiotherapeutinnen hier und jetzt kann ich euch ja mal so ein paar Fragen stellen. Gibt’s denn so ein, zwei Tipps allgemeiner Natur, wenn es um den Transfer in den Rollstuhl geht? Worauf muss ich achten, gerade wenn ich vielleicht auch als Pflegekraft das alleine machen muss draußen?
Tina: Also ganz wichtig wirklich auch, dass man nicht aus dem Rücken heraushebt, dass man schaut, dass man sich den Patienten vielleicht so klein wie möglich, dass er die Oberkörper-Vorlage gut machen kann, dass man ihn da gut auch mit packen kann und dass man dann wirklich nicht aus dem Rücken, sondern hebeln, man geht in die Knie, versucht den Patienten anzulupfen und dann in den Rollstuhl zu bringen.
Gordon: Jetzt könnte ich mir vorstellen, wenn ich jetzt jemanden gut raushebeln muss aus dem Bett, muss er mit dem Gesäß relativ weit nach vorne an die Bettkante. Je nachdem wie viel der Patient mitmachen kann, könnte das vielleicht auch ein bisschen Sorge bereiten, wenngleich da irgendwie in der Regel auch nicht wirklich viel passiert. Worauf kann ich achten, wenn ich einen Patienten an die Bettkante nach vorne kommen lasse? Kann ich da irgendwie Sicherheit geben als Transferleistender?
Tina: Auf jeden Fall. Auch wenn man wirklich vor ihm steht, wenn man ihm klarmacht, es ist jemand da, keine Angst, man kann nicht nach vorne rutschen. Ganz wichtig auch immer Fußbodenkontakt, dass wirklich die Füße, Schuhe anziehen auf jeden Fall, dass die Füße gut auf dem Boden stehen.
Tamara: Also ich mache es auch immer so. Ich habe immer mindestens eine Hand am Körper, dass die einfach auch spüren oder sehen auch, dass man an ihnen dran ist und dass man sie nicht loslässt.
Gordon: Ja, das Spüren alleine, das hilft schon. Haben ja alle Patienten, die auch dann irgendwie auch an der Bettkante dann ein bisschen, das ist ja Angst kriegen, ist ja Angst vor etwas wirklich, was passieren könnte, nämlich das Hinfallen. Und wenn ich so eine Hand sicherheitshalber irgendwo mal dran habe oder am Brustbein oder ich habe das gerne mit den Knien am Knie des Patienten gemacht, sodass er …
Tamara: Ja, also irgendwie immer einen Körperkontakt haben.
Gordon: Genau. Okay. Und dann habe ich den Patienten weit genug an der Bettkante und dann nicht aus dem Rücken raushebeln. Ich erinnere mich, dass man da mit dem Poppes ganz schön weit nach hinten muss, um irgendwann diesen Punkt zu haben. Wie kann ich mich denn da rantasten, wenn jetzt das vielleicht so ein Stück weit eine Hürde ist? Gibt’s da vielleicht Tipps aus eurer täglichen Praxis?
Tamara: Naja, generell gilt das, was der Patient kann, soll er mitmachen auf jeden Fall. Das ist ja auch schon Therapieübung. Und dann schaut man einfach, wie es jetzt zum Beispiel beim Schlaganfall ist, geht man über die nichtbetroffene Seite oder die betroffene Seite, natürlich über die nichtbetroffene, dass er mithelfen kann. Und dann geht man an die Knie, fixiert die Knie, dass er schon mal da nicht wegrutschen kann.
Tina: Und dann einfach Stück für Stück wirklich, dass man erstmal vielleicht, wenn man den ersten Transfer macht, dass man langsam immer ein Stückchen weiterrutscht, dass man auch den Patienten fragt, ob alles in Ordnung ist und sich dann nochmal vergewissern.
Gordon: Also auch den Kontakt haben, immer da sein, Sicherheit geben.
Tamara: Genau.
Gordon: Okay. Ich habe das schon mal gesehen in der Praxis draußen, dass dann die Pflegekräfte einfach aus Ermangelung an Zeit und in Ermangelung, das habt ihr hier nicht, ihr habt hier Zeit und ihr könnt mit mehreren Leuten arbeiten, aber in der Ermangelung an Zeit das dann sehr schnell machen und der Patient dann auch sehr überrascht war. Und dann, gerade wenn es neurologische Patienten sind, auch irgendwo eine Hypertonie wiederreinkommt in den Arm oder ins Bein oder sowas. Habt ihr schon mal mit Hilfsmitteln gearbeitet, die das Ganze so ein bisschen runterpegeln diesen Stress, also Drehteller oder irgendwie sowas? Habt ihr das gemacht hier?
Tamara: Wir haben Rutschbretter oder auch teilweise, wie heißen die, die für schwerere Leute?
Tina: Lifter.
Tamara: Lifter. Genau.
Gordon: Ah, die Lifter. Okay.
Robert: Die aufhelfen.
Tamara: Ja genau. Schon so.
Robert: Also ich denke mal, man darf sich nicht scheuen, Hilfsmittel zu benutzten. Und auch im ambulanten Dienst oder woanders, dass man darauf hinweist bei den Angehörigen und auch den Hausärzten, dass bestimmte Personen brauchen Hilfsmittel. Also da nimmt man sich auch schon viel ab.
Gordon: Okay. Mit Blick auf die Uhr möchte mich bedanken bei euch Robert und Tina und Tamara, dass ihr hier wart. Und ich wünsche euch jetzt noch eine möglichst angenehme Schicht heute. Einen tollen Start in die Woche und vielen, vielen Dank für eure Zeit.
Tina: Dankeschön!
Tamara: Danke.
Robert: Bitte.
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