004 - Pflege trifft Ärztin
Shownotes
Erhabene Eminenz in Weiß vs. Pflegekraft als Sprachrohr der Patienten/innen? Ist das eine zeitgemäße Rollenverteilung und vor allem: im besten Sinne aller? Wo sind Ärzteschaft und Pflege besonders aufeinander angewiesen? Darüber diskutieren in unserer 4. Folge der „Frühbesprechung“ Krankenpflegerin Brigitte und Ärztin Katharina aus dem Dr. Becker Neurozentrum Niedersachsen. Außerdem in Folge 4: Tipps, wie ihr einen Reinfarkt leicht erkennen könnt.
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Folge 004: Pflege trifft Ärztin
Folge 004: Aufgenommen im Dr. Becker Neurozentrum Niedersachsen, Bad Essen
Folge 004: [TC 00:1:08]Pflegekraft Brigitte erzählt, was für sie das Besondere am Arbeiten in der Reha ist
Folge 004: [TC 00:04:50]Arzt und Pflegekraft – ein angespanntes Verhältnis?
Folge 004: [TC 00:14:00]Wir frischen euch auf: Parameter oder Anzeichen eines Reinfarktes?
Gordon: Willkommen zurück in dieser Folge dieses Podcast und es geht hier heute munter weiter im Neurozentrum Niedersachsen, im wunderschönen Bad Essen. Mit am Start hier heute die Brigitte, du bist Pflegefachkraft, und die Katharina, du bist Ärztin hier im Hause. Schön, dass ihr da seid.
Brigitte: Hallo!
Katharina: Dankeschön. Hallo!
Katharina: [TC 00:01:08]
Katharina: Pflegekraft Brigitte erzählt, was für sie das Besondere am Arbeiten in der Reha ist
Gordon: Liebe Brigitte, was macht den Reiz aus für dich in einer Reha zu arbeiten?
Brigitte: Für mich liegt der Reiz darin, dass ich bei verschiedenen Professionen über den Rand gucken kann. Also ich habe hier Ergotherapeuten, Logopäden, Physiotherapeuten, Neuropsychologen, kannte ich bis dahin gar nicht, habe ich erst in der Rehaklinik kennengelernt, die alle hier in einem Team gleichberechtigt zusammenarbeiten. Das heißt, ich kann an deren Arbeit ein bisschen teilhaben, sehen, hören, erzählt bekommen, was die mit dem Patienten machen. Ich finde an der Reha toll, dass die Patienten längere Zeiträume bei uns sind und sich dadurch auch ein Vertrauensverhältnis zum Patienten aufbaut, was ich in einem Akuthaus beispielsweise überhaupt nicht hätte, wenn der nach vier Tagen wieder weg ist. Das ist zu wenig Zeit für ein Vertrauensverhältnis, um einen Patienten einschätzen zu können. Wir haben positive Perspektiven, also das heißt, ich bin zufrieden, wenn ein Patient entlassen wird, weil ich weiß, der hat einen Fahrplan mit für zu Hause oder auch was die berufliche Wiedereingliederung angeht. Die sind nicht entlassen aus den Augen aus dem Sinn, sondern hier wird im Team genau besprochen: Wie kann das weitergehen? Ist der noch länger AU? Geht der in eine stufenweise Wiedereingliederung? Kann der zu Hause leben? Müssen wir über den Sozialdienst was organisieren mit Hauskrankenpflege und so weiter? Das macht ein gutes Gefühl im Umgang mit dem Patienten, weil ich weiß, der ist gut versorgt, wenn der hier geht. Also das ist sehr komplex.
Gordon: Ist das dann auch so, wenn ich mal reingrätschen darf, dass Patienten auch mal wiederkommen im Sinne von, besuchen, nochmal Hallo sagen oder sowas? Gibt’s diese Momente?
Brigitte: Ja tatsächlich. Es kommen relativ viele Patienten, also MS-Patienten zum Beispiel, die dürfen ja regelmäßig eine Reha machen, und die, die nicht allzu weit weg von hier wohnen, kommen dann zwischendurch auch mal bei einer Motorradtour einfach mal rein und besuchen uns und erzählen wie es ihnen geht oder dass sie den Job gewechselt haben. Letztens war einer da und hat erzählt, dass er jetzt Papa geworden ist. Das ist sehr nett. Und gerade MS-Patienten kommen eben regelmäßig alle zwei Jahre. Also manche Nasen kennen wir schon richtig gut. Leider auch Schlaganfall-Patienten, wenn sie einen Reinfarkt erleiden und dann nochmal kommen und hier gute Erfahrungen gemacht haben, dann wünschen die sich oft eben auch, dass sie wieder zu uns ins NZN kommen. Das sind dann nicht so die fröhlichen Wiedersehen, weil da sagst du Tschüss und hoffst, ihn nicht wieder zu sehen, weil ist ja dann für den Patienten total blöd. Aber ein Kompliment an uns, wenn die Reha machen, eine neurologische, dass sie sagen, ich will wieder ins NZN, das ist toll.
Gordon: Was ist denn so eines dieser Aha-Learnings für dich gewesen, die du aus anderen Disziplinen übernommen hast?
Brigitte: Puh! Das Aha? Neuropsychologen zum Beispiel fand ich, also da konnte ich gar nichts mit anfangen, was jetzt ein Neurologe oder ein Psychologe oder was denn, was machen die in der Rehaklinik, hatte ich echt null Plan. Dass die mit den Patienten an der kognitiven, also an der geistigen Entwicklung, Konzentrationsfähigkeit, dass die die Fahrsicherheitstestung am Computer machen. Also für Patienten megawichtige Sachen, die nachher für den Alltag wichtig sind, dass das alles über die Neuropsychologen laufen, war mir nicht klar bis hin auch zu psychologischen Gesprächen. Aber eben ganz handfeste Sachen wie Fahrsicherheit, was insbesondere bei meinen Patienten immer ein Riesenthema ist, weil ich relativ viel mit Lkw-Fahrern zu tun habe. Da ist Fahrsicherheit das Allerwichtigste, weil damit …
Gordon: Hast du die LKW-Abteilung, oder?
Brigitte: Irgendwie ja, ich habe ich die DRV-Station und da sind prozentual sehr viele LKW-Fahrer.
Gordon: Was ist das, wie heißt die Station nochmal?
Brigitte: DRV, Deutsche Rentenversicherung. Also das sind Leute, die stehen noch im Berufsleben und sollen nach Möglichkeit wieder in die Lage versetzt werden, nach ihrem Reha-Aufenthalt wieder arbeiten zu können.
Brigitte: [TC 00:04:50]
Brigitte: Arzt und Pflegekraft – ein angespanntes Verhältnis?
Gordon: Okay. Katharina, wir haben im Vorfeld so ein bisschen über die Fragen philosophiert, was wir so hier in diesem Podcast bringen können und wir haben in der Recherche, also ich habe einfach nur mal Arzt und Pflege eingegeben und sofort kommen so Sachen wie chronisch schlechtes Verhältnis, irgendwie Kompetenzgerangel und dergleichen mehr. Ich würde gerne mal deine Einschätzung dazu hören. Hier ist es anders, habe ich mitbekommen. Hier ist es ein freundschaftliches …
Katharina: Ja, Rehaklinik ist …
Gordon: Ist was Anderes.
Katharina: ist ein anderes Setting einfach. Ja.
Gordon: Richtig. Was glaubst du, wo das herkommt, das dann viele Pflegekräfte auch vielleicht auch so einen übertriebenen Respekt vor oder sogar Berührungsängste haben vor Ärzten?
Katharina: Ich glaube, das ist ja nicht nur zwischen Pflegekräften und Ärzten, das ist ja auch zwischen jungen Ärzten und gestandenen Ärzten. Das ist einfach in der Medizin so eine Sache, die wie ich finde aus ganz alten Zeiten kommt, einfach so ein Hierarchiedenken. Die graue Eminenz, die alles weiß und alle trotten munter hinterher und man traut sich nicht irgendwas zu sagen, weder als junger Arzt noch als Pflegekraft. Aber ich finde, das ist was, was auch in eine alte Zeit gehört einfach. Ich finde, das ist nicht mehr heutzutage gerecht. Jeder hat was zu sagen, jeder hat was beizutragen. Nur weil jemand seit 30 Jahren diesen Beruf macht, heißt das nicht, dass er alles weiß. Auch Leuten, die vielleicht neu im Beruf sind oder auch Pflegekräften kann ja was auffallen. Und ich finde es ganz wichtig, dass man als Pflegekraft nicht denkt, hey, ich bin, in Anführungsstrichen, „nur“ die Pflegekraft, sondern man ist die Pflegekraft! Ausrufezeichen! Und man ist ja am Patienten und man kennt den Patienten. Und wenn einem was auffällt, dann kann man das auch sagen. Und ich finde, das muss man auch machen. Weil der Arzt merkt das ja nicht. Also man ist Arzt und man verschreibt irgendwie was, aber die ausführende Kraft ist die Pflegekraft, und wenn die nicht sagt, hey du, irgendwas stimmt da nicht, oder, hey irgendwie, weiß ich nicht, weiß nicht, ob das so wirkt, oder vielleicht muss man mal nachdenken, dann kommt der Arzt da auch selbst nicht drauf. Denn er sieht den Patienten nicht täglich oder halt so regelmäßig wie die Pflegekraft das tut.
Gordon: Verändert sich diese Sichtweise, also diese Berührungsängste beziehungsweise dieses Hierarchiedenken? Ich meine, neue Ärzte kommen dazu, merkst du da irgendwas?
Katharina: Auf jeden Fall. Doch, auf jeden Fall. Also früher war es wirklich so, die kleinen Leute hatten Angst vor den großen Leuten, aber es kommen natürlich immer mehr Leute nach. Die alten gehen in Rente und es kommen neue und die übernehmen die Praxen oder die übernehmen irgendwelche Stellungen in den Kliniken. Und ich würde schon sagen, dass es moderner ist. Alleine, wenn man schon sieht, wer sich duzt. Früher die Pflege untereinander hat sich geduzt, die Pflege selber wurde auch immer Schwester soundso und dann der Vorname und zum Arzt war dann immer so: Ach, Herr Doktor, was weiß ich. Und heute duzen sich Ärzte und Pflege. Also der Chefarzt vielleicht nicht, aber ansonsten Ärzte und Pflege untereinander duzt sich. Das ist total normal. Und dann ist es glaube ich auch einfacher, wenn man nicht sagt irgendwie: Ach, Herr Prof. Dr. Müller. Sondern wenn man sagt: Mensch du, Ulf, was meinst denn du? Ich glaube, dass da einfach so die Hürde kleiner wird.
Gordon: Kannst du das bestätigen, dass es eine Veränderung gibt vielleicht, auch gerade so den Ärzten gegenüber, dass es so kollegialer wird vielleicht?
Brigitte: Ja, schon. Also ich finde, dass die neue Generation Ärzte, also ich bin selber jetzt kein ganz junges Küken mehr, …
Gordon: Ach komm!
Brigitte: … die neue Generation Ärzte, meine ich jetzt die ärztlichen Kollegen, die so bis 50 sind, die sind schon in meiner Wahrnehmung anders im Umgang als die, mit denen ich zu tun hatte als ich angefangen habe in der Pflege. Mit Anfang 20 waren die Ärzte die Götter in Weiß und unsereiner hatte tunlichst den Schnabel zu halten, wenn ein Arzt in der Nähe war. Was schade ist, weil ich empfinde mich auch als Sprachrohr für den Patienten, weil ich die Dinge mitkriege, die der Arzt gar nicht mitkriegen kann, wenn der, gut, im Akuthaus kommt er vielleicht täglich auf Visite, bei uns ist einmal die Woche Visite, ohne …
Katharina: Ja, aber wie lang ist die Visite? 5 Minuten.
Brigitte: Eben, das sind, naja gut, bei uns definitiv länger, aber nichtsdestotrotz …
Katharina: Ja hier, aber im Akuthaus, man sieht die Leute ja nicht so lang.
Brigitte: … ist das ein kurzer zeitlicher Ausschnitt, den ich da habe.
Katharina: Ja.
Brigitte: Der Arzt kann gar nicht wissen, was dem Patienten, wo der Schuh drückt oder was ihm wirklich Sorgen bereitet, was nachher die Entlassung zum Beispiel betrifft oder so. Und dadurch, dass sie bei uns eben auch so lange sind, was ich vorhin sagte mit dem Vertrauensverhältnis, dann kriege ich manchmal Sachen mit, die würde der auf Visite nie sagen oder weiß um familiäre Probleme, die vielleicht irgendwie noch aus dem Weg geräumt werden müssen, um überhaupt einen Heilungsprozess sinnvoll in Gang zu kriegen. Weil wenn einem da irgendwas tierisch drückt, dann kann ich mich nicht auf eine Reha konzentrieren beispielsweise. Aber ich finde schon, dass der Umgang insgesamt anders geworden ist. Ich glaube aber auch, dass es in der Reha ganz konkret anders ist aufgrund der Teamsitzung. Weil wir in Teamsitzungen alle Disziplinen am Tisch haben, was ich vorhin nannte, Ergo, Physio, Sporttherapeuten, Neuropsychologen und eben auch den Arzt als Teil des Teams. Und ich finde, da ist eine spürbare Wertschätzung dessen, was die Pflege über einen Patienten zu sagen hat. Und im umgekehrten Fall nehme ich ja wahr, der Arzt ist Teil des Teams und nicht der allwissende Gott in Weiß, sondern Teil des Teams. Und das nimmt glaube ich auch ein ganzes Stück der Angst.
Gordon: Du hattest vorhin so ein Beispiel genannt, da ging es um, wenn ich mich recht erinnere, um diese Wiedereingliederung in den Job.
Brigitte: Mhm (bejahend).
Gordon: Dass einer Ärztin, einer Kollegin, die Meinung der Ergotherapie besonders wichtig war. Kannst du das nochmal wiederholen, nochmal wiedergeben?
Brigitte: Ja. Die Ärztin sagte, dass sie ja aus dem Gespräch in der Visite nicht wirklich einschätzen kann, viele Patienten neigen dazu, sich zu überschätzen, vielleicht auch, weil sie finanziell totalen Druck haben, Haus ist noch nicht abbezahlt et cetera. Und der Patient sagt: Ja, ja, klar, klar, ich muss wieder zurück in meinen Job. Kann ich, kann ich. Und dann kommt noch, das Krankengeld läuft aus und dann wird es richtig eng. Ohne die Einschätzung der Ergotherapeutin, kann der beispielsweise auf eine Leiter steigen, wie ist das zum Thema Schwindel, könnte die Ärztin gar nicht beurteilen, ob der wieder berufsfähig ist oder in welchem zeitlichen Rahmen dann wieder über eine berufliche Wiedereingliederung nachzudenken ist. Also das ist da immens wichtig. Ohne die Einschätzung der Therapeuten wäre die Folgebehandlung oder eben der weitere Fahrplan für den Patienten nicht zu erstellen. Weil das kann die so gar nicht wahrnehmen, wenn sie sagt, gehen Sie mal durchs Zimmer, zeigen Sie mal, ob Sie mit geschlossenen Augen auf der Stelle gehen können, …
Katharina: Ist ja eine Momentaufnahme.
Brigitte: Eben. Das ist eine Momentaufnahme und die Ergos machen …
Katharina: Und dann bemüht man sich und holt noch mal das Beste raus und nach zwei Minuten ist man fertig, weil da ist der Arzt ja auch schon wieder draußen.
Brigitte: Ja genau.
Gordon: Und dann kommt der Kollaps.
Katharina: Ja genau.
Brigitte: Ja, Tatsache, also berichten die Ergos ja manchmal auch, dass ein Patient irgendwas bezüglich seiner beruflichen Tätigkeit kann, aber halt nur zehn Minuten. Uns erzählt er dann auf der Visite: Doch, kann ich. Wenn ich dann keine Teamsitzung hätte, also da kann ich antworten und sagen: Ja, habe ich gehört von der Ergo, Sie können es, das ist toll, aber wie lange können Sie es? Ich habe gehört, zehn Minuten. Reicht das für Ihren Job? Nein, also müssen wir noch ein bisschen was arbeiten, das, das, das. Also dafür ist das Team unverzichtbar.
Gordon: So aus der täglichen Arbeit, warum ist es wichtig, in Kontakt zu sein mit den Pflegekräften?
Katharina: Also hier zum Beispiel in der Klinik muss man ganz klar unterscheiden: Ich bin einfach als Dienstärztin hier, das heißt, ich bin nicht tagsüber da und mache die großen Therapieplanungen, sondern ich bin in der Nacht da, ich bin am Wochenende da und kümmere mich dann um über 100 Patienten, 110 Patienten sind wir hier ungefähr. Und manchmal werde ich angerufen und denke mir so: Aha, wer ist das? Sag mir mal kurz was. Und dann kriege ich eine Einschätzung und dann weiß ich schon mal, okay, ich weiß, wie geht’s dem Patienten, warum ist er hier beziehungsweise was kann er, und wie ist das jetzt einzuschätzen? Und dann muss auf jeden Fall die Pflege fragen: Leute, ist das anders? Wie war er gestern? Weil gestern war ich vielleicht gar nicht da.
Gordon: Diesen Mut wünscht man sich manchmal der ambulanten Pflege, glaube ich, dass sie auch mal den Schritt zum Arzt hingehen und dann vielleicht auch mal eher irgendwie in Kontakt treten, oder?
Katharina: Definitiv. Doch, auf alle Fälle. Also dieses, was schon angesprochen wurde, dass Pflegekräfte oft einfach Angst haben Ärzten was zu sagen, finde ich, ist ganz fatal. Weil es geht ja auch um den Patienten und wenn man als Pflegekraft, wie ich schon sagte, man ist nicht nur die Pflegekraft, sondern man ist die Pflegekraft und man ist am Patienten. Und wie Brigitte schon sagt, man ist auch irgendwie das Sprachrohr des Patienten. Der kann sich manchmal nicht so äußern. Vielleicht hat man auch einen Patienten, der kann gar nicht sprechen. Das gibt’s ja auch oft genug.
Gordon: Klar.
Katharina: Oder ist vielleicht auch ein bisschen verwirrt und weiß auch gar nicht so genau, was er sagen soll und bei wem. Der Arzt ist auch vielleicht gar nicht da, Arzt rufen kann er selber nicht. Und ich finde, man muss einfach den Mut haben als Pflegekraft auch sagen zu können: Hey, da stimmt irgendwas nicht. Und wenn man dran denkt, soll man es tun, und wenn man denkt, ah, irgendwas weiß ich nicht, gefällt mir nicht, dann muss man sich auch einfach trauen dem Arzt das zu sagen. Auf jeden Fall. Weil man sieht den Patienten, man hat die Ahnung, man hat die Erfahrung, auf jeden Fall, und man kennt den Patienten am besten.
Katharina: [TC 00:14:00]
Wir frischen euch auf: Parameter oder Anzeichen eines Reinfarktes?
Gordon: OK. Und vielleicht gibt’s hier und da mal den Grund einen behandelnden Arzt mal zu kontaktieren. Und da haben wir uns jetzt so ein bisschen überlegt, welche, wo wir grad schon eine Ärztin hierhaben und die in dieser Konstellation zusammenkommen, haben wir überlegt, dass man vielleicht mal nach Parametern oder Anzeichen eines Reinfarktes schauen kann. Dass wir da so ein bisschen Wissen auffrischen. Wir sind ja hier in der Neuro-Abteilung, Neuroklinik, Neurozentrum, und da ist es häufiger mal, dass Patienten vielleicht einen erneuten Schlaganfall haben. Und das kann im häuslichen Umfeld eben auch passieren, gerade wenn ich jetzt irgendwie Patienten längere Zeit begleite. Was sind denn so typische Anzeichen eines Reinfarktes?
Katharina: Oh, da gibt’s eine ganze Menge.
Brigitte: Verwaschene Sprache, würde mir als erstes einfallen.
Katharina: Verwaschene Sprache. Man kann auch mal so ein bisschen verwirrt sein. Das könnten natürlich auch andere Anzeichen, alles Mögliche kann man verwirrt sein. Aber klar, so eine verwaschene Sprache, das Gesicht, dieses Typische, hängende Mundwinkel, ist manchmal auch ein bisschen schwer, aber man kann ja auch sagen: Hey, pusten Sie mal die Backen auf! Mal so ein bisschen so aufpusten oder …
Brigitte: Augenbrauen zusammenziehen.
Katharina: Augenbrauen, Stirn runzeln.
Brigitte: Grimmig gucken.
Katharina: Solche Sachen. Ist das dann nicht ganz gleichmäßig oder auf der einen Seite funktioniert es, auf der anderen nicht, das sind immer so ein paar Anzeichen. Klar. Dann kann man sagen: Heben Sie mal beide Arme hoch! Sind die gleich hoch oder fällt einer vielleicht einfach so ein bisschen runter? Das ist natürlich immer ein bisschen schwierig, weil es kommt drauf an, warum ist der Patient überhaupt in der häuslichen Pflege? Hatte er vielleicht schon ein Problem? Dann muss man es immer im Verlauf sehen. Aber man ist ja die Pflegekraft, die immer da ist, und man sieht ja den Unterschied. Oder was ich ganz gerne immer bei den Patienten mache, denen einfach mal die Hand geben und einfach mal die Hand drücken, vielleicht auch beide. Und das finde ich, das kann man auch im Häuslichen ganz gut machen. Man sagt: Hallo! Gibt mal beide Hände, lässt mal drücken. Und wenn man täglich hingeht oder regelmäßig auf jeden Fall, dann sieht man ja …
Brigitte: Ich sehe meinen Patienten ja täglich. Und wenn ich mir angewöhne, ihm die Hand zu geben und auch die plegische Hand zum Beispiel zu nehmen, …
Katharina: Genau. Weil manchmal ist es ja von vornherein schon schlecht.
Brigitte: … die kraftgemindert ist.
Katharina: Aber war das schon vorher oder ist das jetzt neu? Das finde ich, kann man ganz gut daran sehen. Und ich finde ganz wichtig, man sollte den Pflegenden mitgeben, dass sie einfach den Mut haben sich wirklich zu melden. Wenn sie das Gefühl haben, weil sie kennen ihre Patienten, wenn sie das Gefühl haben, irgendwas stimmt hier nicht, lieber einmal mehr den Arzt kontaktieren als einmal zu wenig. Und wenn es kein Reinfarkt ist, vielleicht ist es irgendwas anderes Wichtiges und der Patient braucht Hilfe, auf jeden Fall einfach trauen den Mund aufzumachen. Weil es geht ja um den Patienten im Endeffekt und nicht darum, dass man irgendwen nicht stören möchte oder nicht auf die Nerven gehen möchtest. Das ist egal, man muss auf die Nerven gehen.
Brigitte: Bevor ich den Arzt rufe, halte ich es für sinnvoll, wenn die Pflegekraft die Vitalzeichen kontrolliert, also eben Blutdruck messen, Puls messen, eine Zuckermessung durchführen, damit ich auch schon was habe, was ich dem Arzt sagen kann. Zack, zack, zack. Habe ich gecheckt, ist so und so.
Katharina: Ja, das ist immer gut.
Brigitte: Das kommt, glaube ich, ein bisschen kompetenter rüber beim Arzt, als wenn ich mich nur melde und sage: Ups! Ich glaube, der ist komisch, der guckt so komisch, oder kommt mir verwirrt vor. Also, dass ich Parameter in der Hand habe, …
Katharina: Wenn man so ein paar Fragen schon beantworten kann.
Brigitte: … die ich dem Arzt melden kann und sagen kann, das ist soweit in Ordnung, aber das ist anders als sonst, da muss was sein. Ich denke, da dürfen wir in der Pflege auch unserem Gefühl vertrauen.
Katharina: Definitiv.
Brigitte: Wenn ich glaube, da ist was im Argen, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass wirklich was im Argen ist, wenn ich einen Patienten …
Katharina: Recht hoch. Ja.
Brigitte: … länger schon habe, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch. Genau.
Gordon: Manchmal sind es so, weiß nicht, eine Falte mehr oder eine Falte weniger auf der Stirn …
Brigitte: Weniger in dem Fall. Genau.
Gordon: … oder sowas.
Katharina: Vielleicht kann man es manchmal auch gar nicht sagen. Das ist einfach so ein Gefühl, aber man kennt den Patienten halt, man weiß: Nee, so gehört der nicht.
Gordon: Okay. Also Parameter aufnehmen und dann mit dem Arzt oder mit der behandelnden Ärztin in Kontakt sein. Dann bedanke ich mich bei euch, wünsche euch jetzt eine möglichst ruhige Schicht und oder einen baldigen Feierabend. Und viel Erfolg weiterhin bei der Arbeit, die ihr hier tut. Vielen Dank dafür!
Brigitte: Gerne.
Katharina: Dankeschön.
Brigitte: Tschüss!
Katharina: Tschüss!
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