011 - Long Covid - Versorgungsstrukturen durch Forschung verbessern
Shownotes
Folge 11: Long Covid - Versorgungsstrukturen durch Forschung verbessern
„Ich denke, es ist wichtig, dass Betroffene ernstgenommen werden. Es ist wichtig, dass auch Fatigue als ein ganz wichtiges Symptom ernstgenommen wird und dass man nicht sagt: Warten Sie mal ab, es wird schon wieder gut.“ (Dr. Cay Cordes, Neurologischer Chefarzt der Dr. Becker Kiliani-Klinik)
Stellen Sie sich vor, Sie leiden an Long Covid bzw. Post Covid und könnten innerhalb von drei Tagen eine interdisziplinäre Diagnostik Ihrer Beschwerden und eine Handlungsempfehlung zur Verbesserung Ihres gesundheitlichen Zustands bekommen. Der Weg vom Hausarzt zu verschiedenen Fachärzt:innen würde Ihnen erspart bleiben und Sie wüssten innerhalb kürzester Zeit, wie Sie trotz Ihrer Symptome Ihren Alltag wieder meistern können.
Das Forschungsprojekt „ASAP“ der Dr. Becker Kiliani-Klinik, in Zusammenarbeit mit der Jacobs University in Bremen, zielt genau darauf ab: Die Versorgungsstrukturen für Long- beziehungsweise Post-Covid-Betroffene zu verbessern.
Unsere Gesprächspartner in dieser Podcastfolge sind Dr. Cay Cordes, Neurologischer Chefarzt der Dr. Becker Kiliani-Klinik und Björn Koch, Oberarzt der neurologischen Frührehastation in der Dr. Becker Kiliani-Klinik. Sie betreuen in der Dr. Becker Kiliani-Klinik das „ASAP“-Projekt und geben uns einen Einblick in den Bewerbungsprozess und in die Diagnostik, die vor Ort durchgeführt wird. Dr. Cordes kann außerdem vom Feedback der ersten beiden Patientinnen berichten, die das Assessment durchlaufen haben. Es zeichnet sich ab, dass „ASAP“ leistet, was es leisten soll: Betroffenen, die unter verschiedenen Long Covid-Symptomen leiden fachübergreifend Behandlungspfade an die Hand geben, um Ihre Genesung voranzutreiben. Auch die Fragen „Wie wird solch ein Projekt finanziert?“ und „Wie sieht die Struktur des Forschungsprojekts aus?“ beantworten Dr. Cordes und Oberarzt Björn Koch.
[TC 00:03:00] Das ASAP-Projekt – Finanzierung, Bewerbung, Struktur
[TC 00:08:40] Das ASAP-Assessment: Wie ist der Ablauf in der Dr. Becker Kiliani-Klinik?
[TC 00:13:04] Erstes Patientinnen-Feedback zum ASAP-Projekt
[TC 00:17:07] Wie hat sich die Arbeit in der Frührehabilitation durch Long Covid verändert?
[TC 00:22:23] Was erhöht die Wahrscheinlichkeit Long Covid bzw. Post Covid zu bekommen?
[TC 00:24:02] Speedfragerunde
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Anmeldung zur ASAP-Studie: https://asap.dbkg.de/
Übersicht bundesweite Forschungsprojekte: https://longcoviddeutschland.org/forschungsvorhaben/
Projekte Freistaat Bayern: https://www.lgl.bayern.de/gesundheit/infektionsschutz/infektionskrankheiten_a_z/coronavirus/post_covid_foerderinitiative.htm
Transkript anzeigen
Staffel 2, Folge 011: Long Covid: Versorgungsstrukturen durch Forschung verbessern
Gäste: Dr. Cay Cordes, Neurologischer Chefarzt der Dr. Becker Kiliani-Klinik in Bad Windsheim
Gäste: Björn Koch, Oberarzt der neurologischen Frührehastation in der Dr. Becker Kiliani-Klinik in Bad Windsheim
Moderation: Rebecca Jung, Leiterin Presse- und ÖffentlichkeitsarbeitDr. Becker Klinikgruppe
Moderation: Das ASAP-Projekt – Finanzierung, Bewerbung, Struktur
Moderation: Das ASAP-Assessment: Wie ist der Ablauf in der Dr. Becker Kiliani-Klinik?
Moderation: Erstes Patientinnen-Feedback zum ASAP-Projekt
Moderation: Wie hat sich die Arbeit in der Frührehabilitation durch Long Covid verändert?
Moderation: Was erhöht die Wahrscheinlichkeit Long Covid bzw. Post Covid zu bekommen?
Moderation: Speedfragerunde
Rebecca Jung: Herzlich willkommen zur „Frühbesprechung“, dem interdisziplinären Reha-Podcast. Das heute ist die letzte Folge vor der Sommerpause und umso wichtiger finde ich es, dass wir nochmal über Versorgungsstrukturen für Long- beziehungsweise Post-Covid-Betroffene reden.
Rebecca Jung: Deren Leidensdruck ist hoch, das haben wir ja jetzt auch schon in ein paar Folgen der "Frühbesprechung" gehört. Hilfe zu finden, bedeutet oftmals eine Odyssee, die Betroffenen wissen nicht genau, an wen sie sich wenden können und haben doch auch wirklich Symptome, die den Alltag stark einschränken wie die Fatigue oder Konzentrationsstörung. Und auch die Behandlerinnen und Behandler sind noch oft unsicher, wenn Long-Covid-Betroffene zu ihnen in die Praxen kommen. Das ist auch irgendwie klar, weil, das ist eine neue Erkrankung und das ist auch eine sehr komplexe Erkrankung, viele unterschiedliche Symptome.
Rebecca Jung: Und da kann man eigentlich nur sagen, die gute Nachricht ist, dass weltweit geforscht wird und daran gearbeitet wird, die Versorgung zu verbessern. Es gibt Forschungsprojekte, es gibt Austausch zwischen Medizinerinnen und Medizinern und auch die Betroffenen selber schließen sich zusammen in Gruppen, geben sich gegenseitig Tipps. Und die können auch was tun, in dem sie zum Beispiel an Studien teilnehmen, einfach mit dem Ziel, dass andere Betroffene irgendwann nicht mehr die gleiche Odyssee durchlaufen müssen wie sie selbst.
Rebecca Jung: Auch meine zwei Gäste heute im Podcast arbeiten da dran, die Versorgungsstrukturen für Long- beziehungsweise Post-Covid-Betroffene zu verbessern. Mit mir über den Rechner verbunden sind Doktor Cay Cordes, der Chefarzt unserer neurologischen Abteilung der Dr. Becker Kiliani-Klinik in Bad Windsheim. Und Björn Koch, der Oberarzt der neurologischen Frührehastation, auch in der Dr. Becker Kiliani-Klinik in Bayern.
Rebecca Jung: Herr Doktor Cordes und Herr Koch betreuen in unserer Klinik das "ASAP"-Projekt. Das ist ein Forschungsprojekt, dass sie zusammen mit der Jacobs University in Bremen aufgesetzt haben und "ASAP" zielt darauf ab, gemeinsam mit den Betroffenen gute Versorgungswege zu finden, erwachsenen Betroffenen. Sozusagen sichere Behandlungspfade statt einer Odyssee, habe ich das so richtig zusammengefasst, Herr Doktor Cordes?
Rebecca Jung: Das ASAP-Projekt – Finanzierung, Bewerbung, Struktur
Minute 00: 03:00
Doktor Cay Cordes: Das haben Sie so richtig zusammengefasst. Guten Morgen erst nochmal in die Runde. Das ist völlig richtig, wie Sie das gesagt haben. Wir haben dieses Projekt angefangen im Sommer letzten Jahres zu planen und wir haben gelernt, dass viele Patienten gar nicht recht wissen, wo sie hinkommen. Wir haben erste Patienten nach Covid-Erkrankungen bereits im Jahr 2020 in unserer Klinik behandelt, zunächst auf der Frührehabilitationsstation, später dann auch zunehmend Patienten auf den Rehabilitationsstationen und da war zu erfahren, dass diese Patienten zuweilen gar nicht wussten, wo sie hingehen, dass es lange gedauert hat, bis es Wege gab. Auch der Zugang zu Rehabilitationsmaßnahmen war am Anfang ja nicht so einfach. Und das war so ein bisschen der Startpunkt dafür, dass wir gesagt haben: "Wir wollen da ein Forschungsprojekt entwickeln, um den Zugang zu den Versorgungsstrukturen zu verbessern." Das ist so ein bisschen, was hinter dem ganzen Projekt steht. Und die Krankheit Covid 19 ist eine Beispielerkrankung, ein neues Krankheitsbild, an dem sich grade ganz viel entwickelt, wo ganz viel geforscht wird. Man hat ja sehr schnell ganz, ganz viele wissenschaftliche Daten dazu gehabt. Es gibt keine Erkrankung, die so schnell so umfassend erforscht wurde wie dieses Krankheitsbild und trotzdem gibt es ganz viele Lücken. Und wir versuchen mit unserem Projekt vielleicht eine kleine Lücke zu schließen. Wir erheben nicht den Anspruch, dass wir damit für alle Betroffenen die richtige Lösung finden, aber es soll ein Schritt sein, der den Betroffenen hilft, wieder auf den normalen Weg zu kommen und wieder ein normales, unbeschwertes Leben zu führen.
Rebecca Jung: An der Stelle, wo Sie das sagen, dass das ein kleiner Teil ist, da kann man vielleicht ergänzen, das "ASAP"-Projekt wird ja vom bayrischen Gesundheitsministerium gefördert und ist ja eins von insgesamt sieben Projekten, die derzeit laufen bis Ende des Jahres. Und alle sieben Projekte in Bayern haben eine unterschiedliche Ausrichtung, also das eine Projekt kümmert sich beispielsweise um die Versorgung von Long-Covid-Betroffenen im Kindesalter. Also das heißt, man versucht verschiedene Projekte momentan durchzuführen und am Ende des Jahres, werden alle Ergebnisse ausgewertet und man guckt, was davon man in die Regelversorgung übernehmen kann
Doktor Cay Cordes: Das ist richtig, das Staatsministerium für Gesundheit und Pflege in Bayern hat eine größere Fördersumme bereitgestellt, um all diese Projekte auch finanziell zu unterstützen, das ist so in einer Größenordnung von gut fünf Millionen Euro für all diese Projekte zusammen. Und nur das hat es uns auch möglich gemacht, dieses Projekt wirklich so durchzuführen. Wir sind sehr dankbar, dass das Staatsministerium uns da mit unserem Projektplan berücksichtigt hat und wir den Zuschlag bekommen haben und nur deshalb sind wir in der Lage, diese Studie jetzt in dieser Form auch durchzuführen.
Rebecca Jung: Genau, ich werde die Projekte, die momentan im Freistaat Bayern aufgesetzt sind, werden wir in den Shownotes verlinken, da kann man sich die Liste, die Übersichtsliste angucken nochmal. Herr Doktor Koch, Sie waren ja auch maßgeblich an dem Studiendesign mit beteiligt. Wie ist denn "ASAP" aufgesetzt worden? Können sie dazu vielleicht grob zur Struktur was sagen, wie läuft das ab?
Björn Koch: Ja, ein herzliches guten Morgen erst mal von mir auch. Ja, wie läuft das ganze Projekt ab? Wir machen hier eigentlich ein dreitägiges Assessment. Also zunächst mal werden die Probanden oder die Patienten, melden sich online an, um an dieser Studie teilzunehmen und werden dann von Lotsen, sogenannten Lotsen, die von der Universität in Bremen, die das Ganze dann auch wissenschaftlich aufarbeiten wird, die Jacobs University, quasi uns weitervermittelt. Und werden dann eingeladen zu einem dreitägigen Assessment, in dem wir quasi erst mal grob abklären, was für Symptome bestehen überhaupt, klären dann mögliche Differenzialdiagnosen ab, technische Untersuchungen, ärztliche, klinische Untersuchungen. Dann gibt es ein längeres Arztgespräch auch, es gibt Kontakt zu Therapeuten, zu Neuropsychologen und dann wird langsam herausgearbeitet, was ist das eigentliche Kernproblem, denn das ist ja bei jedem sehr individuell. Es gibt Patienten, die haben einen Schwerpunkt eher in der chronischen Müdigkeit, andere leiden mehr an der Luftnot, das gilt es, erst mal herauszuarbeiten. Und dann steht am Ende dieses dreitägigen Assessment ein Abschlussgespräch an, in dem auch eine individuelle Behandlungsempfehlung abgegeben werden soll. Das ist so, wo quasi dem Patienten an die Hand gegeben werden soll, wie geht es weiter jetzt, können wir eine Rehabilitation machen, stationär oder ambulant.
Rebecca Jung: Kurz zu dieser Online-Bewerbung, von meiner Seite die Ergänzung. Also Betroffene können sich unter asap.dbkg.de für das Projekt, wenn sie denn teilnehmen möchten, eintragen, registrieren. Wichtig ist tatsächlich, da die Gelder, wie eben erwähnt, aus dem Freistaat Bayern kommen, dass der Wohnort in Bayern sein muss und die Corona-Infektion muss nachgewiesen sein, also über einen PCR-Test. Es muss wirklich eine offizielle Corona-Infektion nachgewiesen sein, damit dann irgendwann die Lotsen von der Jacobs University eben die Betroffenen kontaktieren und weitervermitteln an die Dr. Becker Kiliani-Klinik, und das dreitägige Assessment. Ist das so, dass die Patientinnen und Patienten dann bei Ihnen stationär aufgenommen werden, diese drei Tage, also übernachten die dann in der Klinik oder fahren die abends nach Hause?
Björn Koch: Nee, die sind eigentlich für drei Tage stationär bei uns. Das vereinfacht auch die Abläufe natürlich letztendlich, dass man zur gegebenen Uhrzeit noch da ist. Das ist eigentlich ein fester Terminplan, nach dem die Untersuchungen auch stattfinden. Dass muss einfach so auch koordiniert werden, weil sonst die Abläufe natürlich nicht so möglich wären. #00:08:57-0#
Das ASAP-Assessment: Wie ist der Ablauf in der Dr. Becker Kiliani-Klinik?
Minute 00: 08:40
Doktor Cay Cordes: Wenn ich dazu noch was ergänzen darf, der Kollegen Koch hat ja grade schon den groben Ablauf des Assessment beschrieben, da würde ich gerne noch ergänzen aus der Sicht desjenigen, der die Probanden dann auch begleitet, was Herr Koch nicht macht, wie denn der Ablauf in unserer Klinik wirklich ist. Also nachdem Sie als Betroffene sich angemeldet haben bei der Jacobs University, das Online-Assessment gemacht haben und dann ausgewählt wurden, dann erhalten Sie von uns, immer in Absprache mit den Lotsen, eine Einladung, wann Sie zu uns nach Bad Windsheim anreisen dürfen und wann Sie hier bei uns Ihr Assessment haben werden. Da sind wir auch bereit und in der Lage, auf individuelle Bedürfnisse einzugehen. Wir haben üblicherweise eine Anreise montags oder mittwochs und Sie sind dann drei Tage bei uns. Dann erhalten Sie zunächst mal einen ausführlichen Plan, einen sogenannten Therapieplan, den unser Therapiezentrum erstellt hat, dass hier zu unserer Klinik gehört. Und das ist ein genauer Zeitplan. In diesem Plan ist beschrieben, wann Sie welche Kontakte haben zu welchen Untersuchern. Wir haben genaue Zeiten, wo Sie den ersten Arztkontakt haben, wir haben die Zeit, wann Sie den Kontakt zum Neurologen und zum Internisten haben, jeweils mit einem ausreichenden Zeitfenster. Sie müssen sich vorstellen, Sie sind eine Stunde im Gespräch beim Neurologen, Sie sind ungefähr eine Stunde im Gespräch und in der Untersuchung beim internistischen Kollegen. Das sind wirklich umfassende Zeitfenster, die Sie normalerweise in einer fachärztlichen Praxis so nicht erleben werden. Und dann ist es so, dass auch neben dem ausführlichen psychologischen Gespräch, dass auf, ich glaube, eineinhalb Stunden sogar terminiert ist, dass Sie daneben dann auch ausführliche Kontakte haben zu den verschiedenen Therapeuten. Wir haben Ergotherapie, wir haben Logopädie, also die Schluck- und Sprachtherapeuten, wir haben Sporttherapeuten und wir haben Physiotherapeuten, die Sie alle jeweils auch über einen Zeitraum von einer halben Stunde bis einer Stunde sehen. Und die Sie mit untersuchen, die mit Ihnen Gespräche führen und dann aber auch wirklich am Gerät mit Ihnen gucken, welche Übungen können Sie machen, was können Sie nicht machen. Und wir haben zusätzlich die technischen Untersuchungen, wo ein Herzultraschall gemacht wird. Wir haben die Untersuchung, wo ein Belastungs-EKG gemacht wird. Wir haben die Untersuchung der Nervenfunktionen, wir haben eine EEG-Untersuchung, wo die Hirnfunktion insgesamt abgeleitet wird, wo man zum Beispiel Hinweise für die Fatigue vielleicht auch finden kann. All das sind Dinge, die wir sehr ausführlich mit Ihnen untersuchen. Das ist so der Ablauf der ersten zwei Tage. Am dritten Tage ist es so, dass Sie als Probanden eher einen entspannten Tag haben, weil wir ärztlichen Mitarbeiter werten dann die ganzen Untersuchungen aus und erstellen daraus einen ausführlichen Bericht. Dieser Befundbericht hat einen Umfang von sieben bis zehn Seiten. Also das ist nicht nur eine Seite, sondern ein sehr ausführlicher Bericht, wo alle Untersuchungsergebnisse nochmal aufgeschrieben sind und wo sich daraus dann nachvollziehbar eine Empfehlung ergibt.
Rebecca Jung: Das Projekt läuft noch bis Ende des Jahres und aktuell werden, noch 50 Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer gesucht. Das heißt, wenn Sie uns da draußen zuhören, in Bayern wohnen, eine nachgewiesene Corona-Infektion hatten und die Forschung, Versorgungsforschung unterstützen möchten und auch selber eine Behandlungsempfehlung für sich haben möchten, dann bewerben Sie sich gerne unter asap.dbkg.de. Natürlich, die URL finden Sie auch bei uns in den Shownotes. Herr Doktor Cordes, Sie haben die ersten Patientinnen begleitet, die an dem Projekt teilgenommen haben. Wie war denn deren Feedback?
Rebecca Jung: Erstes Patientinnen-Feedback zum ASAP-Projekt
Minute 00: 13:04
Doktor Cay Cordes: Das ist richtig, ich habe die ersten zwei Patientinnen begleitet, gleich am ersten Tag und dann bis zum dritten Tag. Und es ist so, dass diese sehr, sehr dankbar waren dafür, dass sie an der Studie teilnehmen konnten. Sie haben unterschiedliche Beschwerden gehabt, sie haben unterschiedlichen Schwerpunkt gehabt, auch innerhalb der Diagnostik. Und sie waren überaus zufrieden, dass sie innerhalb von so kurzer Zeit, drei Tage ist ja dann doch keine lange Zeit, so viel Kontakte zu verschiedensten medizinischen Berufsgruppen hatten. Und dann hat sich wirklich daraus eine gute Empfehlung ergeben, wie diese beiden betroffenen Damen dann weiter mit ihrer Erkrankung umgehen können. Und sie sagten einfach: "Wenn wir zum Hausarzt gehen, dann sind wir da fünf Minuten und dann schickt der uns wieder weg und sagt, naja, warten sie mal, es wird schon wieder werden." Und bei uns sind sie drei Tage und haben ein sehr umfassendes Abklärungspaket bekommen und sie waren einfach nur sehr dankbar und auch erleichtert. Was auch sehr schön war, muss ich sagen, das war, dass diese Probandinnen finden sich dann auch. Wir sind zwar eine größere Klinik mit 260 Betten und trotzdem haben diese zwei sich natürlich gefunden und haben sich dann auch ausgetauscht. Auch dieser Austausch war etwas, wofür die Betroffenen sehr dankbar waren, weil sie sagten: "Mensch, das geht ja nicht nur mir so, das geht ja auch der anderen so." Und das ist auch etwas, was ich auch bei den weiteren Probanden, die wir in den letzten Wochen hier hatten, auch erlebe, dass die ganz schnell zusammenfinden, sich dann austauschen, sich besprechen. Zum Teil sogar sagen, sie wollen auch nach dem Aufenthalt hier im Kontakt miteinander bleiben und sich dann abstimmen. Und es mag durchaus sein, dass da auch noch Selbsthilfegruppen daraus entstehen. Insgesamt muss man sagen, die Teilnehmer an der Studie sind alle sehr, sehr zufrieden. Es läuft nicht immer alles 100-prozentig rund, es ruckelt mal irgendwo, das war grade bei den Ersten, mussten Abläufe sich erst einspielen. Aber da muss man sagen, jetzt sind wir seit vier Wochen, laufen die Probandenuntersuchungen bei uns in der Klinik und es läuft immer besser.
Rebecca Jung: Wissen Sie noch, was die Behandlungsempfehlungen für die beiden Damen waren?
Doktor Cay Cordes Bei der Einen war es so, dass sie nicht arbeitsfähig war, schon seit langer Zeit und dass sie noch sehr, sehr von Müdigkeit beeinträchtigt war. Und da ging es drum, dass sie ambulante Therapien machen wollte, sowohl Physio- und Sporttherapie, um körperlich sich wieder fitter zu fühlen und dazu auch noch psychologische Unterstützung. Und bei der Anderen war es so, dass sie zwar schon wieder arbeitete, aber bei einem geistig sehr anspruchsvollen Job sagte: "Ich bin nicht in der Lage, all das zu schaffen, was ich sonst immer in der Zeit, meiner Arbeitszeit, schaffe. Und ich brauche da einfach länger und ich schaffe nicht so viel." Und da war die Empfehlung, sich psychologisch auch nochmal Unterstützung zu holen und das zu akzeptieren, die Krankheit nochmal so ein bisschen als Teil ihrer Persönlichkeit im Moment anzunehmen. Und da gab es die Empfehlung, natürlich weiter Arbeit zu machen, vielleicht aber auch nochmal eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme zu machen, weil diese Betroffene wirklich sehr auch von den Kontakten mit unseren Therapeuten profitiert hatte. Und selber normalerweise auch körperlich sehr aktiv war und sagte, sie merkt einfach, wie gut ihr Bewegung tut, wie gut es ihr tut, eine Aufgabe zu haben, immer wieder in Aktion zu sein und sich nicht der Fatigue zu ergeben, sondern etwas zu tun. Weil, das kennen wir ja aus der Betreuung von MS-Patienten an unserer Klinik, dass die Fatigue ein Symptom ist, was die Betroffenen oftmals im Laufe der Zeit immer mehr einschränkt, was aber durch Aktion, durch körperliche Bewegung, durch geistige Beschäftigung auch ein stückweit zu überwinden ist.
Doktor Cay Cordes Bei der Einen war es so, dass sie nicht arbeitsfähig war, schon seit langer Zeit und dass sie noch sehr, sehr von Müdigkeit beeinträchtigt war. Und da ging es drum, dass sie ambulante Therapien machen wollte, sowohl Physio- und Sporttherapie, um körperlich sich wieder fitter zu fühlen und dazu auch noch psychologische Unterstützung. Und bei der Anderen war es so, dass sie zwar schon wieder arbeitete, aber bei einem geistig sehr anspruchsvollen Job sagte: Wie hat sich die Arbeit in der Frührehabilitation durch Long Covid verändert?
Minute 00: 17:07
Rebecca Jung: Vor der schon letzten Frage, wollte ich noch auf was Anderes kommen. Herr Koch, eigentlich sind Sie Oberarzt auf der neurologischen Frührehastation in der Dr. Becker Kiliani-Klinik. Wie hat denn Long Covid Ihre Arbeit verändert in den letzten zwei Jahren?
Björn Koch: Also in der Frührehabilitation sicherlich wenig, weil die Long-Covid-Symptomatik da jetzt weniger im Vordergrund steht. Wir haben hier letztendlich 40 Betten, die mit schwerstkranken Patienten belegt sind, die wir dort behandeln und da spielt das Thema Long Covid noch keine Rolle, sage ich mal so. Allenfalls als Begleitsymptomatik, sage ich mal so, aber da stehen andere Dinge jetzt erst mal im Vordergrund. Nichtsdestotrotz war es sicherlich sehr interessant, auch mal aus diesem Blickwinkel des Frührehabilitationsmediziners mal auch in dieses doch neuartige Erkrankungsbild hineinzuschauen und auch zu sehen, wie komplex das eigentlich alles ist irgendwo, ja, das ist doch anders als die Frührehabilitation. Von dem her hat es jetzt sicherlich die Arbeit in der Frührehabilitation, hat es weniger Auswirkungen darauf gehabt, aber nichtsdestotrotz ein interessanter Einblick.
Doktor Cay Cordes: Vielleicht darf ich noch kurz etwas ergänzen dazu. Die ersten Patienten nach Covid-Erkrankungen, die wir bei uns hatten, die waren bereits zu einer Zeit bei uns, als Herr Koch noch nicht bei uns in der Klinik tätig war, deshalb kann er das nicht wissen. Der erste Patient, den wir nach einer Covid-Erkrankung hatten, der hat tatsächlich bei uns auf der Frührehabilitationsstation damals gelegen, weil, der kam mit einer schweren Nerven- und Muskelfunktionsstörung und einer Atemstörung zu uns. Der war beatmet, hatte auch einen Luftröhrenschnitt, eine Luftröhrenkanüle eingesetzt bekommen zur Beatmung. Und der hat einen erfreulich guten Verlauf gehabt, der war innerhalb von sechs Wochen intensivmedizinischer Therapie und Rehabilitation, war er von der Beatmung entwöhnt, er war von seiner Trachealkanüle entwöhnt, die konnte entfernt werden, er konnte wieder selbstständig sprechen, atmen, essen und trinken, er konnte laufen. Und er hat schließlich nach gut acht Wochen Aufenthalt in unserer Klinik, es schloss sich dann noch ein Aufenthalt in dem normalen Rehabereich unserer Klinik an, hat er unsere Klinik laufend verlassen. Und viele der frühen Covid-Patienten, die wir bei uns gehabt haben, waren beatmet oder waren aufgrund von Nerven- und Muskelstörungen teilweise gelähmt oder vollständig gelähmt. Und seit dem letzten Jahr, muss man sagen, haben wir erst zunehmend Patienten, die wirklich nach einer Covid-Erkrankung mit einem Post- oder Long-Covid-Syndrom zu uns gekommen sind. Und wir haben ja auch die Erfahrungen gemacht und das ist, glaube ich, auch ein Eindruck, den Herr Koch dann für sich neu mitgenommen hat, dass grade diejenigen Betroffenen, die mit ihrer Covid-19-Erkrankung gar nicht schwer krank waren im Sinne von Krankenhausaufenthalt, Sauerstoffbedarf, Intensivmedizin, sondern eher diejenigen, die Zuhause gewesen sind, die nicht arbeitsfähig waren, aber trotzdem Zuhause sein konnten, dass die doch dann diese Long-Covid- oder Post-Covid-Syndrome entwickelt haben.
Rebecca Jung: Woran liegt das, dass nicht mehr so viele auf die neurologische Frührehabilitationsstation kommen? Ist das eine dankbare Entwicklung durch die Impfungen oder sind die Varianten jetzt eine andere?
Doktor Cay Cordes: Ich denke schon, dass wir da eine Mischung sehen aus Mutationen des Virus, weil der ursprüngliche Typ des Corona-Virus, der ist ja gar nicht mehr kursierend, sondern wir haben ja immer wieder Varianten, das ist ja hinreichend auch durch die Presse gegangen. Im Moment haben wir grad das Thema BA2, BA4, BA5 als Varianten. Wir sehen eine Entwicklung, dass das Virus die Menschen immer weniger körperlich krankmacht, im Sinne von schweren intensivmedizinischen Verläufen, aber wir sehen, dass es immer infektiöser wird, das heißt, es wird immer leichter übertragen. Das ist sicherlich der Grund, warum wir auch jetzt grade im Moment wieder ansteigende Infektionszahlen haben mit dem Wegfall von immer mehr Beschränkungen, Kontaktbeschränkungen, Schutzmaßnahmen. Wir haben immer mehr infizierte Menschen, die aber nicht schwer körperlich krank sind. Jetzt kann man vermuten, dass das eine quasi Strategie des Virus ist, es mutiert solange, bis es eine Art und Weise gefunden hat, dass es möglichst viel weitergegeben wird. Weil, wenn das Virus alle seine Wirte, und wir Menschen sind ja Wirt für das Virus, so schwer krankmacht, dass der Mensch sich zurückzieht und nur noch für sich alleine ist oder dass dieser Mensch in einem Krankenhaus behandelt wird und vielleicht gar nicht mehr das Krankenhaus verlässt, dann kann das Virus sich wenig verbreiten. Wenn das Virus aber leicht zu verbreiten ist, weil es gut über die Sekrete der Atemwege verbreitet wird in der Luft und aber die Menschen trotzdem sich draußen auf der Straße bewegen, einkaufen gehen, keine Maske mehr tragen, dann hat das Virus viel mehr Möglichkeit, sich zu verbreiten. Also das ist eine Entwicklung, die auch die entsprechenden Infektiologen beobachten und wo auch Virologen sagen: "Das ist eine Entwicklung, wie wir sie auch von anderen Viruserkrankungen kennen, dass es von eher schweren Krankheitsverläufen zu leichteren Verläufen sich entwickelt."
Doktor Cay Cordes: Was erhöht die Wahrscheinlichkeit Long Covid bzw. Post Covid zu bekommen?
Minute 00: 22:23
Rebecca Jung: Und dann gibt es trotzdem noch auch, wenn ich nur einen leichten Verlauf hatte, die Gefahr, an Long oder Post Covid zu erkranken. Haben Sie da schon irgendwelche Beobachtungen gemacht, wen das trifft, also was die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass ich Long oder Post Covid bekomme?
Doktor Cay Cordes: Das ist im Moment noch nicht zu beantworten. Also eine Meinung, ohne dass sie jetzt schon einen Anspruch auf wissenschaftliche Korrektheit hat, eine Meinung meinerseits ist, wir sehen Menschen mittleren Alters, 30-, 40-, 50-Jährige, die oftmals voll im Leben stehen, körperlich und geistig aktiv sind, auch gefordert sind und dass diese Menschen oftmals ein so hohes Leistungsniveau schon vor ihrer Erkrankung hatten. Und dann durch ihre Erkrankung dieses Leistungsniveau fällt und sie dann lange Zeit brauchen, um wieder auf ihr altes Leistungsniveau zu kommen.
Rebecca Jung: Das deckt sich mit dem, was Professor Peters in der ersten Folge gesagt hat, dass es tatsächlich die Menschen in genau dieser Altersphase gibt, wo ich eine große Belastung habe, Beruf, vielleicht muss ich einen Kredit bedienen, ich habe Kinder, also ich fahre sehr hochtourig und dann habe ich eine Erkrankung und bin leistungsgemindert. Und darüber kann dann tatsächlich auch, ja, ein großer Widerstand entstehen. Das hatten wir auch in einer Folge der "Frühbesprechung", dass tatsächlich erst die Fatigue und dann kamen psychosomatische Erkrankungen dazu, nämlich Angststörung und Depression, weil das wie ein Kontrollverlust erlebt wird, wenn mein Körper auf einmal nicht mehr so funktioniert, wie ich das gewohnt bin und auch brauche in diesem Leben, was ich da kreiert habe.
Rebecca Jung: Speedfragerunde
Minute 00: 24:02
Minute 00: Ich komme zur Speed-Fragerunde. Die Speed-Fragerunde ist ein kleines Modul, ich stelle Ihnen kurz eine Frage jeweils und würde Sie bitten, kurz zu antworten. Herr Doktor Cordes, haben Sie einen Tipp für Behandlerinnen und Behandler, wenn Long-Covid-, Post-Covid-Betroffene zu ihnen in die Praxis kommen mit ihren komplexen Symptomen und ihrer eingeschränkten Leistungsfähigkeit?
Doktor Cay Cordes: Ich denke, es ist wichtig, dass Betroffene ernstgenommen werden. Es ist wichtig, dass auch Fatigue als ein ganz wichtiges Symptom ernstgenommen wird und dass man nicht sagt: Warten Sie mal ab, es wird schon wieder gut. Sondern dass man dann auch versucht, Differenzialdiagnosen abzuklären, wie Herr Koch das vorhin erläutert hat, ja, wir wissen, dass die Lunge betroffen ist, dass das Herz betroffen ist, dass das Nervensystem betroffen ist, diese Dinge sind zu klären. Möglichst in einem gut funktionierenden Netzwerk, damit man schnell entsprechende Komplikationen ausschließen kann. Und dann die Patienten möglichst frühzeitig in Therapien bringen, seien es psychotherapeutische Dinge, sei es Ergo-, Physio- Logotherapie oder seien es auch stationäre Rehabilitationsmaßnahmen. Dafür stehen alle Rehabilitationskliniken, die wir in Deutschland Gott sei Dank haben, zur Verfügung. Und auch die Kostenträger sind gewillt, da entsprechende Leistungen zu gewähren.
Rebecca Jung: Die letzte Folge geht genau darum, Reha bei Long Covid, Post Covid, da haben wir das auch schon besprochen, wie da Wege sein könnten. Herr Koch, gibt es in anderen Bundesländern ähnliche Forschungsprojekte oder ist der Himmel über Bayern blauer?
Björn Koch: Oh, das ist er ganz sicherlich, ohne jetzt als sogenannter „neig’schmeckter Bayer“, darf ich das wohl sagen. Nein, es gibt in allen Bundesländern ähnliche Projekte. Ich habe gelesen, sogar weltweit, in Australien hat es auch eine große Studie dazu gegeben. Also man sieht, dass das ein großes Thema ist, grade jetzt in der Zeit, in der die schweren Verläufe doch nicht mehr ganz so häufig sind, aber jetzt zunehmend eben auch diese Long-Covid-Syndrome dazukommen, ist es offensichtlich weltweit ein Thema und interessiert nicht nur in Deutschland und auch nicht nur im schönen Bayern die Betroffenen.
Rebecca Jung: Das sind wirklich gute Nachrichten, das ist ein guter Ausblick, überall, weltweit wird zu Long Covid, Post Covid geforscht und daran gearbeitet, dass die Versorgung in eine Regelversorgung überführt werden kann. Ich weiß, dass es in Deutschland Projekte in Niedersachsen dazu gibt, Versorgungsforschungsprojekte in Rheinland-Pfalz, in NRW. Wir werden Ihnen die Liste, die Übersichtsliste in den Shownotes verlinken. Wenn Sie als Betroffene auch helfen wollen beziehungsweise am "ASAP"-Projekt teilnehmen wollen, nochmal die Erinnerung, Sie müssen Ihren Wohnort in Bayern haben und Ihre Corona-Infektion muss offiziell nachgewiesen sein. Dann, wenn das zutrifft, bewerben Sie sich gerne über die Seite asap.dbkg.de. Auch die URL verlinken wir in den Shownotes. Ich finde, das sind positive Nachrichten vor der Sommerpause. Die "Frühbesprechung" kommt im Herbst wieder, wir werden eine Folge zu Fatigue und Pacing machen und wir werden natürlich auch irgendwann die Ergebnisse und Beobachtungen der "ASAP"-Studie nochmal vorstellen. Für heute danke ich Ihnen für Ihr Interesse. Wenn Sie zu unseren Stammhörerinnen und -hörern zählen, und das sind mittlerweile einige, dann bewerten Sie uns doch gerne auf Apple-Podcast oder Spotify, einfach ein paar Sterne anklicken, dann freuen wir uns. Ich verabschiede meine Gäste und sage danke, danke für Ihre Zeit, dass Sie uns das "ASAP"-Projekt vorgestellt haben und sende herzliche Grüße nach Bayern, auf Wiedersehen Herr Doktor Cordes, auf Wiedersehen Herr Koch.
Björn Koch: Auf Wiedersehen.
Doktor Cay Cordes: Ja, von mir auch ein herzliches auf Wiedersehen.
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