008 - Long Covid: Wie muskulärer Aufbau und Konzentrationssteigerung gelingen können

Shownotes

„Anfangs hatte ich wirklich in der Bandbreite enorm viele Problemchen, also vom Kognitiven bis über das Lungenvolumen. Aber ich kann heute sagen, dass ich auf einem sehr guten Stand bin. Noch nicht auf dem alten Stand, aber ich kann nicht mosern“. _(Zoran Gavrić, ehemaliger Patient)

Wie sehr hilft eine positive innere Einstellung beim Gesundungsprozess? Werden wir körperlich wieder schneller fit, wenn wir motiviert an unserer Genesung mitarbeiten und an unseren Erfolg glauben? „Definitiv“, meint Stefan Rittner, Teamleiter der Sporttherapie im Dr. Becker PhysioGym Bad Windsheim und hat einen ganz bestimmten Patienten im Hinterkopf: Zoran Gavrić. Der 33-Jährige hatte während seiner Reha sowohl mit den Nachwehen eines schweren Covid 19-Verlaufs zu kämpfen als auch mit Long Covid-Symptomen. Wie er es geschafft hat, vom Rollstuhl wieder auf die Beine zu kommen und seine Konzentrationsfähigkeit kontinuierlich zu steigern, hören Sie in dieser Folge des Podcasts. Mit ihm im Gespräch sind Amjad Masalha (Oberarzt in der Dr. Becker Kiliani-Klinik) sowie Sporttherapeut Stefan Rittner, die ihn während seiner Reha angeleitet und unterstützt haben.

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[TC 00:00:00 - 00:05:23]: Krankheitsverlauf Zoran Gavrić und Rehastart

[TC 00:05:24 - 00:10:34] Der Reha-Aufenthalt aus Sicht seines Oberarztes Diagnostik, Therapieziele

[TC 00:10:35 - 00:13:44] Der Reha-Aufenthalt aus Sicht seines Sporttherapeuten Therapieziele, -pläne und -erfolge

[TC 00:13:45 - 00:18:16] Resilienz und Selbstmotivation als Wirkfaktor

[TC 00:18:17 - 00:26:35] Fatigue Symptome bei Zoran Gavrić, Selbsttherapie, Fatigue als Long Covid-Symptom, Unterschied MS-Fatigue und Long Covid-Fatigue, Fatigue-Therapie

[TC 00:26:36 - 00:31:34] Tipps für Betroffene und heutiger Zustand von Herrn Gavrić

[TC 00:31:35 - 00:37:53] Speedfragerunde

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Staffel 2, Folge 008: Long Covid: Wie muskulärer Aufbau und Konzentrationssteigerung gelingen können

Staffel 2, Folge 008: Krankheitsverlauf Zoran Gavrić und Rehastart

Staffel 2, Folge 008: Der Reha-Aufenthalt aus Sicht seines Oberarztes

Staffel 2, Folge 008: Diagnostik, Therapieziele

Staffel 2, Folge 008: Der Reha-Aufenthalt aus Sicht seines Sporttherapeuten

Staffel 2, Folge 008: Therapieziele, -pläne und -erfolge

Staffel 2, Folge 008: Resilienz und Selbstmotivation als Wirkfaktor

Staffel 2, Folge 008: Fatigue

Staffel 2, Folge 008: Symptome bei Zoran Gavrić, Selbsttherapie, Fatigue als Long Covid-Symptom, Unterschied MS-Fatigue und Long Covid-Fatigue, Fatigue-Therapie

Staffel 2, Folge 008: Tipps für Betroffene und heutiger Zustand von Herrn Gavrić

Staffel 2, Folge 008: Speedfragerunde

Gäste:

Gäste: Zoran Gavrić, Patient der Dr. Becker Kiliani-Klinik

Gäste: Dr. Amjad Masalha, Oberarzt der neurologischen Station der Dr. Becker Kiliani-Klinik

Gäste: Stefan Rittner, Teamleiter der Sporttherapie im Dr. Becker PhysioGym Bad Windsheim

Moderation:

Moderation: Rebecca Jung,

Moderation: Leiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Dr. Becker Klinikgruppe (Moderatorin)

Rebecca Jung: Herzlich willkommen zur „Frühbesprechung“, dem interdisziplinären Reha-Podcast. Wir reden in dieser Staffel 2 über Long beziehungsweise Post COVID, darüber, wie man es als Betroffener erlebt und welche Therapien - Stand heute - helfen können. Zu Gast heute bei mir sind so Zoran Gavric, der 2021 im Alter von 33 Jahren an Corona erkrankte und im Anschluss mit Long COVID Symptomen in der Dr. Becker Kiliani-Klinik behandelt werden musste. Außerdem spreche ich mit seinem damaligen Arzt Dr. Amjad Masalha, Oberarzt auf der neurologischen Station der Dr. Becker Kiliani-Klinik, und Stefan Rittner, dem Teamleiter der Sporttherapie im Dr. Becker PhysioGym Bad Windsheim. Herzlich willkommen! Schön, dass Sie alle da sind.

Amjad Masalha: Hallo!

Zoran Gavrić: Hallo!

Stefan Rittner: Hallo!

Rebecca Jung: Herr Gavrić, Sie haben sich im Frühjahr 2021 bei Ihrem Zwillingsbruder mit Corona angesteckt. Auch wenn wir in diesem Podcast eigentlich über Post COVID sprechen, erzählen Sie uns kurz, wie Ihre Infektion verlaufen ist. Was waren die ersten Symptome und warum mussten Sie ins Krankenhaus?

Zoran Gavrić: Wie gesagt, mein Bruder hatte mich angesteckt unwissentlich, nachdem er aus der Freitagsschicht heimkam und eben positiv war. Diesen Befund bekam er am Montag und hatte mich aber zwischenzeitlich eben gesehen, getroffen und eben angesteckt. Anfangs haben wir vermutet, dass wir einen leichten Verlauf abbekommen würden und sind entsprechend daheimgeblieben, sind der Arbeit nachgegangen im Homeoffice. Bis dann aber eben keine Luft mehr zum Schnappen da war. Und entsprechend wurde dies auch über den Oximeter und die Sauerstoffsättigung bestätigt, so dass ich dann in die Klinik eingeliefert wurde.

Rebecca Jung: Nach wie viel Tagen war das, Herr Gavrić?

Zoran Gavrić: Gut, da muss man schon sagen, das waren sieben Tage, acht Tage. Aber es ist ein schleichender Prozess, man lässt sich von den Medien ein Stück weit leiten. Damals hatte man ja auch gemeint, dass junge Leute eher wie gesagt diesen leichten Verlauf kassieren. Und nach dem Schüttelfrost und dem leichten Fieber, nenne ich es mal, kam eben dann auch diese Atemnot hinzu. Man ist leicht benebelt, der Sauerstoff, der dringt nicht mehr in den Kopf, so dass man dann auch ein Stück weit handlungsunfähig ist. Glücklicherweise kam ich dann in die SLK-Klinik hier in Heilbronn und nach einem Tag allerdings auf dieser Station musste ich schon auf intensiv überführt werden. Da hieß es einfach, das Immunsystem ist schon sehr stark angegriffen, die Lunge ebenfalls, dass ich dann in diesen Energiesparmodus übergehen muss.

Rebecca Jung: Damit meinen Sie das Koma?

Zoran Gavrić: Genau, korrekt! War für mich auch kein Thema, keine Frage. Also die Ärzte tun, was sie können, und wenn es hilft, dann entscheidet man sich dann auch natürlich für diesen Weg.

Rebecca Jung: Und Sie haben dann einen Luftröhrenschnitt bekommen, ist das korrekt?

Zoran Gavrić: Genau! Der führte eigentlich dann auch zum Positiven wieder. Nach dem neunten Tag und nach dem 11. oder 12. dann war ich eigentlich komplett wieder von den Geräten entkoppelt. Also ich hatte wieder frei eigenständig geatmet und bin einfach dankbar.

Rebecca Jung: Wer hat Ihnen denn dann vorgeschlagen in die Reha zu gehen? Wie lief das ab?

Zoran Gavrić: Gut, im ersten Schritt, man wacht auf, man ist da ein Stück weit noch verwirrt, und nach den ersten fünf, sechs Tagen wird man auf die normale Station überführt, und währenddessen, also mit den ersten drei, vier Tagen kommt dann eine Dame aus dem Sekretariat, die dann die Momentaufnahme aufnimmt und dann auch entscheidet, wo es dann auch weiter hingeht. Es gibt da vier Kategorien, glaube ich, A, B, C, D. Ich wurde in B eingestuft, sprich, ich war nicht mehr komplett bettlägerig, weil zuvor die Muskeln komplett atrophiert waren. Und dann kam die Empfehlung eben aus dem Sekretariat. Da muss natürlich auch die Verfügbarkeit ein Stück weit eine Rolle spielen. Also ich kann nicht irgendwo hingehen, wo eben keine Plätze mehr vorhanden sind. Und das war halt der glückliche Umstand.

Rebecca Jung: Dass Sie an die Dr. Becker Kiliani-Klinik kamen nach Bad Windsheim?

Zoran Gavrić: Genau, korrekt!

Rebecca Jung: Erinnern Sie sich an Ihren Zustand? Wie kamen Sie in der Dr. Becker Kiliani-Klinik an? Wissen Sie das noch?

Zoran Gavrić: Ja doch, also da bin ich sehr klar in der Birne. Ich war noch nicht vollständig rehabilitiert, aber mit einer Gehhilfe, also ich kam eigentlich rein im Rollstuhl, sagen wir es mal so. Das war der erste Tag. Im Rollstuhl angeliefert und danach ging es steil nach oben glücklicherweise.

Der Reha-Aufenthalt aus Sicht seines Oberarztes / Minute 00: 05:24

Rebecca Jung: Dr. Masalha, erinnern Sie sich noch an Herrn Gavrić, wie er ankam auf Ihrer Station? Das war dann auf der neurologischen Früh-Reha? War das, das ist Phase B, das ist, was er meinte?

Amjad Masalha: Ich kenne ihn aus der normalen Reha-Phase C. Er kam zu uns in Phase C und dann im Verlauf wurde er in Phase D umgewandelt, also nachdem er Fortschritte erzielt hatte.

Rebecca Jung: Ah, okay!

Amjad Masalha: Nur kurz zu ergänzen, also der Herr Gavrić meinte, eine Dame kam auf ihn zu. Das war nach ärztlicher und therapeutischer Rücksprache im Krankenhaus. Und das Krankenhaus veranlasste die Reha. Und dann kam die Sozialarbeiterin oder jemand vom Sekretariat auf Herrn Gavrić zu, um die Formalitäten zu erledigen. Aber das war dann nach ärztlicher Rücksprache gelaufen. Herr Gavrić kam zu uns nach dieser Vorgeschichte zur stationieren Rehabilitation, Neurohabilitation. Bei Aufnahme, also bei Ankunft bei uns, war er in mäßigem Allgemeinzustand bis reduziertem Zustand. Die Gangunfähigkeit, Ganguntersicherheit, Gangstörung, er benötigte Hilfe beim Gehen und im Allgemeinen, also bei bestimmten, bei seinen Alltagsaktivitäten. Zu dem, was er dann berichtete oder was ihn die ganze Zeit begleitete, die rasche Ermüdbarkeit, Erschöpfung. Natürlich, das war das Ziel, dass wir an diesen Symptomen, an diesen Beschwerden arbeiten gemeinsam und dementsprechend wurde dann ein Therapieplan angeordnet.

Rebecca Jung: Lassen Sie mich da nachhaken, Herr Masalha. Welche Diagnostik haben Sie durchgeführt und welche Therapieziele haben Sie dann festgelegt? Lassen Sie uns das ruhig ausführen.

Amjad Masalha: Das war, als Herr Gavrić zu uns kam, natürlich war keine Diagnose in den Unterlagen, oder gedacht, das ist ein Post COVID Syndrom oder Komplikation und dann Zustand nach Ateminsuffizienz, komatösem Zustand, Intubation, Komplikationen nach Lungenentzündung, weil wir in der Neurologie sind, dann konnte man das unter Critical Illness oder Neuropathie einordnen. Das ist eine Neuropathie-Form nach einer intensivstationären Behandlung.

Rebecca Jung: Das heißt, ich muss einmal für die Laien nachfragen. Da bitte ich um Entschuldigung. Das heißt, das ist erst mal kein Post COVID Syndrom, kein Long COVID Syndrom.

Rebecca Jung: Sondern es ist normal, wenn jemand im Koma war, beatmet wurde, kommt er in einem reduzierten Zustand und benötigt Aufbauhilfe.

Amjad Masalha: Genau! Mit neurologischen Einschränkungen und daraufhin wird das in die Neuro-Reha. Und da war dann mit der Gehschwäche der Extremitäten vor allem an den Armen und den Beinen, vor allem der Beine, Schwäche der Beine, Gangstörung, Gangunsicherheit, rasche Ermüdbarkeit, subjektiv auch, kognitiv, das heißt, Konzentration, Aufmerksamkeit, das war dann so auffällig. Und das war dann die Reha. Da war noch nicht der Post COVID, also mit der Diagnose, sondern normal, wie viele Patienten nach intensivstationärer Behandlung in der Reha dann überwiesen werden.

Rebecca Jung: Und welche Therapieziele haben Sie dann festgelegt, Dr. Masalha?

Amjad Masalha: Erstmal Kräftigung der Extremität, also der Beine und der Arme, Verbesserung der Gangfähigkeit, Verzichten auf Hilfsmittel beim Gehen, Steigerung der Selbstständigkeit im Alltag, dass er dann körperlich im Alltag ohne Hilfe unabhängig die Alltagsaktivitäten als auch das Gehen erledigt. Und die Rückkehr in den Arbeitsprozess, zudem kognitives Training natürlich. Die Kondition- und Ausdauersteigerung, das war wichtig.

Rebecca Jung: Herr Gavrić, ich weiß von Ihnen, Sie sind Sportler, Fußballer, glaube ich, in Ihrer Freizeit. Und jetzt saßen Sie schweißgebadet an der Bettkante. Das war bestimmt nicht so einfach, so in seinen Bewegungsfreiheiten, Möglichkeiten eingeschränkt zu sein. Wir haben Sie das erlebt?

Zoran Gavrić: Ja gut, ich weiß ja, welchen schweren Verlauf ich hatte. Und nachdem ich dann bei Sinnen war nach den ersten vier, fünf Tagen, da beschäftigt sowas schon einen. Also man hat relativ große Sorgen, auch ein Stück weit Existenzängste, weil man einfach nicht weiß, ob man jemals nochmal zurückkommt. Also in der Regel ist es so, ich bin ein positiv gestimmter Mensch. Für mich war es eigentlich keine Frage zurückzukommen, weil es gibt keine andere Option. Ich bin jung, ich habe noch Ziele, ich habe ein Umfeld, was mich gernhat. Und man ist dennoch natürlich im ersten Schritt leicht verunsichert, man hat die Muskeln nicht. Der Arzt spricht auf einen ein und redet auf einen zu, dass natürlich alles wieder zurückkehrt, aber man muss sich halt in Geduld üben. Und das Glückliche an dem Ganzen war einfach, dass ich Tag für Tag einfach Erfolge feiern durfte und gesehen hatte, dass einfach die Muskeln doch zurückkehren, trotz dieser unheimlich starken Schmerzen, die ich eben halt in den Unterarmen gespürt hatte und in den Oberschenkeln.

Zoran Gavrić: Der Reha-Aufenthalt aus Sicht seines Sporttherapeuten

Minute 00: 10:35

Rebecca Jung: Herr Rittner, Sie sind der Teamleiter der Sporttherapie in Bad Windsheim. Was haben Sie und Ihr Team denn für einen Plan für Herrn Gavrić gemacht, als Sie ihn gesehen haben? Wie muss ich mir das vorstellen?

Stefan Rittner: Ich habe den Trainingsplan, die beiden Trainingspläne tatsächlich mal hier. Und kann mich auch nur noch an Herrn Gavrić erinnern, wo schon die aufbauenden Prozesse da waren, also wo schon, er hat es ja schon gesagt, steil nach oben ging. Und unser Auftrag ist einfach hier über Training im Bereich Herz-Kreislauf-System die Widerstandsfähigkeit wieder zu steigern, dass man ein bisschen ausdauernder wird, und natürlich auch schon angemerkt, die Muskulatur wieder zu stärken. Das ist der Auftrag, den wir haben. Ich fand es jetzt ganz interessant, ich nehme das jetzt mal vielleicht auch schon vorweg, aber wir konnten hier schon, am 3.5. habe ich einen Trainingsplan, haben wir dann auch schon an vielen unterschiedlichen Bereichen in der Muskulatur gearbeitet, Oberkörper, Beine. Dr. Masalha hat es ja schon schön gesagt, Ziel war hier auch, eben die Sicherheit beim Laufen wiederherzustellen, das war also sein eigenes Ziel noch mal, und dann eben die Muskulatur kräftigen. Und dann verglichen mit dem Trainingsplan am 12.3., also da sind wir neun Tage später und da hat man dann schon eine Steigerung in den Gewichten von fast 30 % gehabt. Und das sieht man eigentlich, welchen Effekt Bewegung haben kann und welchen Effekt Training haben kann. Das ist ein Wahnsinns-Prozess, was man hier erreichen kann. Das ist so ein bisschen unser Auftrag. Und Herr Gavrić hat auch schön erzählt, dass er diese Dankbarkeit, das Ganze auch wertzuschätzen. Was er gemacht hat, das ist schon außergewöhnlich. Tolle Einstellung!

Rebecca Jung: Auf die Einstellung kommen wir auch gerne nochmal zurück. Ich würde gerne einmal ein bisschen mehr über die Therapiepläne wissen. Was steht denn da so drin? Muss ich nur Gewichte heben bei Ihnen, Herr Rittner?

Stefan Rittner: Nein, nein, nein. Also können Sie, sie können nur Gewichte heben, ist durchaus machbar, aber das wäre dann doch ein bisschen wenig in der Reha, nur zum Gewichte-Heben zu kommen. Wir arbeiten an diesen konditionellen Fähigkeiten, vor allem Kraft und Ausdauer, Herz-Kreis-Laufsystem stärken, und gerade nach Post COVID diese Erschöpfungssache, also erschöpft zu sein, Müdigkeit, auch die Leistungsfähigkeit im Herz-Kreislauf-Bereich zu verlieren schnell. Es geht einem schnell die Luft aus. Das ist einer unserer Dinge, die wir machen in Form von Terrain-Training, also Training in der Natur, im Gelände. Wir können das Ganze am Ergometer machen, wir können das Ganze auch mit Stöcken machen, Stick Walking, das ist so ein bisschen die sanftere Variante des Nordic Walkings, kommt vom Bergwandern, Stick Walking, Nordic Walking kommt ja vom Skilanglauf abgeleitet. Das ist so der Bereich im Ausdauerbereich. Unsere Physiotherapeuten arbeiten mit in der Gehschule, zum Beispiel. Atemgymnastik, auch das ganz wichtig eben. Die Ergotherapie arbeitet dazu, die versucht das Ganze natürlich dann in den Alltag umzusetzen, auch die Leistungsfähigkeit im Beruf wiederherzustellen, das ist dann der Auftrag der Ergotherapie. Und dann natürlich auch das Gewichte-Stemmen spielt natürlich auch eine wichtige Rolle. Ein bisschen schöner formuliert, die Wiederherstellung der Muskulatur.

Resilienz und Selbstmotivation als Wirkfaktor / Minute 00: 13:45

Rebecca Jung: Sie haben eben schon die Einstellung von Herrn Gavrić angesprochen. Wir alle haben Herrn Gavrić jetzt schon kennengelernt und ich glaube uns allen ist aufgefallen, wie resilient er ist, wie optimistisch, positiv und dankbar er ist. Hilft die Einstellung grundsätzlich beim Genesungsprozess, Herr Rittner? Wie ist da Ihre Beobachtung? Sie sind ja lange schon Therapeut in der Reha.

Stefan Rittner: Definitiv! Also wer sowas mitbringt, das ist der Idealzustand. Es gibt ja diese Psychoimmunologie, wie man es so schön nennt, also Placebos, welchen Heileffekt Placebos haben können. Wenn ich eine Einstellung mitbringe, wo ich an ein Medikament glaube, dann kann mich das sogar heilen. Und für uns ist diese Einstellung eigentlich das A und O. Eine Übung zu machen und vielleicht auch mitzunehmen, jawoll, das hilft mir, das ist mein Weg wieder gesund zu werden. Als wie, ich übertreibe jetzt mal, aber zum Beispiel, ich mach‘s halt, der Therapeut hat gesagt, ich soll es machen und dann mache ich das. Ich will es eigentlich nicht machen, aber ich mach's, so schön im Fränkischen ausgedrückt. Also die Psyche mitzunehmen auch in die Bewegung, das potenziert das Ganze schon noch mal gewaltig nach oben. Und das wird eigentlich viel zu wenig gemacht. Auch gerade in der Nachhaltigkeit dann, wenn die Reha vorbei ist, den Schweinehund auszutricksen, das geht nur mit einer positiven Grundeinstellung zur Bewegung, auch mit einer Freude an Bewegung. Und da hat der Schweinehund auch keine Chance. Alles andere, wenn ich das alles machen muss und bin da, wie soll ich sagen, vielleicht auch negativ eingestellt gegen das Ganze, dann habe ich bei weitem nicht die Wirkung, obwohl ich vielleicht gleich trainiere. Also das ist auch ganz neu in dem Bereich und der wird in Zukunft auch noch ein bisschen mehr kommen, dass die Psyche in die Bewegung mehr integriert wird.

Rebecca Jung: Herr Rittner, wenn jetzt jemand nicht so motiviert ist wie Herr Gavrić, nicht so intrinsisch motiviert ist, was sind Ihre Tricks, um Patientinnen und Patienten vielleicht doch noch ein bisschen mehr psychisch auch mitzunehmen, zu motivieren, Spaß am Training zu haben?

Stefan Rittner: Jeder unserer Patienten kennt die Zeiten, wo er sich eigentlich nicht mehr bewegen kann. Und da fühlt er sich auch nicht wohl in der Zeit. Und wir nutzen dann die Chance, aber jetzt können Sie sich bewegen. Auch wenn ich frage „Sind Sie froh, dass Sie ihre Übungen machen können?“, da habe ich noch keinen Patienten gehört, der sagt „Nö, ich bin eigentlich nicht froh. Ich würde eigentlich wieder lieber ins Bett gehen.“. Also da ist die Dankbarkeit schon da. Und genau das ist der Ansatz, die Zeiten, die man mal kannte, jetzt zu vergleichen, und jetzt kann ich mich bewegen, das ist der Ist-Zustand jetzt. Und dann auch diese Wertschätzung zu bekommen im Vergleich zu dem, was man vielleicht mal vorher hatte. Und das ist eigentlich so der Weg, auf das Aktuelle sich zu fokussieren und zu sagen: Lass uns auf das fokussieren, was jetzt ist. Genießen Sie die Bewegung. Auch, weil man eben andere Zeiten kennt. Und das ist so ein Weg, wo schon auch da die Einsicht kommt und wo man sagt „Ja, eigentlich hat er recht. Eigentlich bin ich froh, dass ich es kann. Eigentlich freue ich mich, dass ich es kann.“. Und da auch dann eben mit dieser, ich nenne es jetzt mal Wertschätzung, sich wieder bewegen zu dürfen, ranzugehen und das Ganze vielleicht aus einem neuen Blickwinkel sehen. Das ist so ein bisschen unser Ansatz, auch dann in die Motivation hin.

Rebecca Jung: Herr Gavrić, wie haben Sie sich selber motiviert? Oder gab’s, Hand aufs Herz, gab es auch Tage, wo Sie gerne mal im Bett geblieben wären, Decke übern Kopf ziehen?

Zoran Gavrić: Mit Reha-Start gab's eigentlich für mich solche Tage nicht. Es gab noch den 1. Mai, da gab's mal so einen kleinen Knick. Es war pandemiebedingt eben nicht möglich, dass Leute mich besuchen beziehungsweise mein engeres Umfeld. Nichtsdestotrotz, also bis auf den einen Tag hatte ich mehr oder weniger mich da durchgefightet. Ich habe täglich meine Ziele versucht zu erreichen und einfach diesen Trend nach oben zu sehen. Und was der Herr Rittner auch erwähnte, da bin ich einfach unheimlich dankbar, dass die Fachkräfte vor Ort auch individuell auf meine Bedürfnisse eingegangen sind. Also wenn ich heute gesagt habe, ich möchte gern auf die Slackline, damit ich meine Tiefenmuskulatur einfach noch mal trainiere, dann gab es da kein Nein, sondern eher ein „Ja klar, machen wir doch gern.“. Und ich glaube, dieser Austausch zwischen Patient und Fachkraft oder Physiotherapie ist megaentscheidend. Weil man muss auf einen hineinhören, genauso aber durchs Gespräch dann auch entsprechend einen Ansatz finden. Und deswegen, also ich war eigentlich da immer relativ gut drauf. Ich kann jetzt nicht sagen, dass sich immer positiv war und irgendwie, ich sag mal, in Feierlaune, aber ich war eigentlich durchweg jemand, der gesagt hat, ich möchte zurückkommen, ich möchte annähernd denselben Stand wieder erfahren dürfen, den ich zuvor hatte. Und das Mentale ist halt entscheidend. Das stimmt schon.

Fatigue / Minute 00: 18:17

Rebecca Jung: Ich würde gerne noch mal auf ein anderes Symptom zu sprechen kommen, Dr. Masalha hat das schon angesprochen, die Fatigue, die große Erschöpfung, die Sie auch gespürt haben. Also Sie waren deutlich weniger belastbar.

Zoran Gavrić: Ja, eindeutig.

Rebecca Jung: Und hatten einen hohen Schlafbedarf und ich glaube auch Konzentrationsschwierigkeiten. Was hat Ihnen hier geholfen? Was haben Sie da in der Reha gemacht?

Zoran Gavrić: Das klingt vielleicht für den einen oder anderen ein bisschen witzig oder auch blöd, aber was das erste war, ist, nachdem ich wieder die Fingergriffkraft zurückgewonnen habe, ich habe mir gleich meine App heruntergeladen, nach einem Verschnitt von Tetris, also ich habe Tetris gespielt, damit ich einfach da auch ein bisschen kognitiv wieder reinkomme, oder Bücher gelesen. Anfangs fiel es mir halt unheimlich schwer, nach zwei Zeilen warst du eigentlich müde. Aber das ist eben halt ein Prozess und da muss man sich in Geduld üben. Am Ende habe ich ein Buch durchgelesen oder zwei Bücher. Und man muss sich halt auch, wie gesagt, ins Zeug legen. Man darf sich da nicht einfach nur hängen lassen, auch wenn man mal vielleicht einschläft, man muss einfach alles Mögliche mitnehmen, aufsaugen, ob das jetzt kognitiv ist oder auch körperlich gesehen. Also ich habe natürlich anfangs unheimlich große Schwierigkeiten gehabt mit meinen Muskeln, die waren wie am Übersäuern, also ich habe Schmerzen einfach verspürt. Aber das hat sich dann im Laufe der Zeit einfach mega-gut entwickelt und hat entsprechend nachgelassen. Ich weiß natürlich, dass nicht jeder denselben guten Stand heute aufweist wie ich. Dennoch kann ich einfach nur den Leuten ans Herz legen, dass sie, auch wenn es mal vielleicht an einem Tag nicht so wirklich gut erscheint, oder wenn Sie sich schlechtfühlen, dass Sie dennoch irgendwo was tun für sich.

Rebecca Jung: Wie zum Beispiel Tetris spielen, ein Buch lesen oder draußen in der Natur spazieren gehen.

Zoran Gavrić: Ja. Es mag sein, es sind kleine Dinge, man soll sich einfach nur nicht ans Bett fesseln. Das ist eigentlich das Wichtigste. Also wirklich in Bewegung bleiben, ob man jetzt zum Kneippen geht, was mir auch wirklich sehr guttat. Das praktiziere ich auch heute nach wie vor hier in Heilbronn. Ich habe es auch ein Stück weit unterbewertet in der Vergangenheit, aber ich lasse mich eines Besseren auch belehren. Und das Kneippen tut mir wirklich gut, vor allem im Sommer, wenn die warmen Tage da sind, kommt einfach der Kreislauf da ein Stück weit in den Schuss. Aber ja, alles Mögliche annehmen, was geht, und was einem auch guttut.

Rebecca Jung: Ja. Da ist die Reha wahrscheinlich ein guter Ort, um Impulse zu bekommen. Ein bisschen Anleitung, …

Zoran Gavrić: Eindeutig!

Rebecca Jung: … Impulse, Hilfe. Dr. Masalha, ich würde gerne noch mal mit Ihnen darüber sprechen, Sie haben am Anfang gesagt, dass Herr Gavrić eigentlich mit Symptomen kam, die Sie von jedem Patienten kennen, der von der Intensiv kommt, der beatmet wurde, der im Koma lag. Die Fatigue, über die wir eben gesprochen haben, die große Erschöpfung, ist das ein Symptom, was Herrn Gavrić dann doch zum Long COVID Patienten gemacht hat?

Amjad Masalha: Diese Erschöpfung und der reduzierte, die deutlich reduzierte Belastbarkeit, und im Verlauf zeigte sich auch, dass es dann ein Hauptsymptom oder vielleicht ein gemeinsames Symptom bei allen COVID-Erkrankungen, die dann bei den Patienten oder den Menschen, die eine COVID-Erkrankung durchgemacht hatten. Die körperliche Auffälligkeit, also die Reduktion oder Beeinträchtigung der Gangfähigkeit, allgemeine Schwäche, das kann auch durch andere Erkrankungen bedingt, und das ist bekannt in der Reha oder in der Medizin, vor allem nach intensivstationärer Behandlung. Aber wie gerade erwähnt, Fatigue-Symptomatik kognitive Beeinträchtigung, wenn auch leicht, das wird dann mehr und mehr ein Symptom oder ein Kennzeichen bei der COVID-Erkrankung.

Rebecca Jung: Eine Klientel, Patientenklientel, die Sie auch behandeln in Bad Windsheim, sind zum Beispiel MS-Patientinnen und Patienten. Die leiden auch unter Fatigue. Herr Rittner, Dr. Masalha, Gibt es einen Unterschied zwischen der MS Fatigue und der Long COVID oder Post COVID Fatigue?

Amjad Masalha: Klinisch, was für Symptome oder Beschwerden vor allem für den Anfang ist gleich. Da kann man sehen, reduzierte Belastbarkeit, ich werde schnell müde, ich empfinde Atemnot. Das ist gemeinsam bei den meisten oder bei allen. Vielleicht bei COVID muss ich zwei Sachen erwähnen. Mit der Atemnot ist vielleicht auffälliger bei COVID-Erkrankung subjektiv empfunden, und der Verlauf, also die Besserungsmöglichkeit, eigentlich das bei COVID bessere Prognose vor allem bei jungen Patienten. MS-Patienten, da sind bestimmte Pathologie im Gehirn sichtbar auch meistens. Und bei COVID-Patienten oder ehemaligen COVID-Patienten sieht man noch nicht diese Schädigung. Also die Prognose, das heißt dann, der Verlauf der Fortschritte, die dann erzielt werden, sind besser bezüglich jetzt Atemnot oder Fatigue bei der COVID-Erkrankung als bei MS.

Rebecca Jung: Schlägt sich das in der Behandlung nieder, Herr Rittner? Arbeiten Sie mit MS-Fatigue-Patienten anders als mit Long COVID Patienten?

Stefan Rittner: Das Spannende an dem Thema ist, dass es eigentlich in beiden Fällen kein einheitliches Muster in der Therapie gibt, wie zum Beispiel jetzt mal im orthopädischen Bereich nach Rückenschmerzen oder Rückenoperation. Da gibt’s ganz klar die Schemata, wie man vorgeht, und grad bei MS, Krankheit der 1000 Gesichter. Und bei Long COVID ist das so unterschiedlich im Endeffekt, so individuell auch, dass wir da dann auch teilweise kurzfristig Dinge ändern, um eben dann den Patienten optimal zu fördern. Und unser Ziel ist einfach die körpereigene Widerstandsfähigkeit über verbesserte Ausdauer, über verbesserte Muskulatur so zu kräftigen, da werden auch Immunprozesse aktiviert, die dann die Erkrankung mehr in den Hintergrund drängen. Und je größer die Fitness ist durch sanftes Krafttraining, durch sanftes Ausdauertraining, durch Atemtraining beispielsweise, je besser die körperliche eigene Fitness ist, desto mehr kommt die Krankheit dann in den Hintergrund. Und wie gesagt, am Trainingsplan sieht man hier schon nach neun Tagen eine deutliche Verbesserung, die Muskulatur ist deutlich besser, kann ich automatisch länger gehen, kann ich automatisch besser gehen. Und dann kommt der Kreislauf eigentlich in die andere Richtung. Und das ist so unser Auftrag praktisch, den Körper so zu stärken, dass die Erkrankung mehr in den Hintergrund tritt.

Rebecca Jung: Wir haben darüber in der ersten Folge des Podcast gesprochen mit Prof. Peters und Dr. Roukens, auch über Fatigue. Und da waren auch beide der Meinung, dass die Fatigue in Bezug auf Long COVID, Post COVID, jetzt eine gute Chance birgt, dieses schwierige Symptom, also für MS-Patient*innen zum Beispiel, aber das betrifft ja auch andere, dass die Forschung noch mal nachlegt, dass da wirklich noch mal genauer hingeguckt wird, was sind die Ursachen und wie kann ich therapieren und wie kann ich hier helfen? Das wäre ja wenigstens für die Betroffenen was Positives.

Rebecca Jung: Tipps für Betroffene und heutiger Zustand von Herrn Gavrić

Minute 00: 26:36

Rebecca Jung: Herr Gavrić, ich würde gerne noch mal Sie fragen, wie war das für Sie? Sie waren sechs Wochen in Dr. Becker Kiliani-Klinik, glaube ich?

Zoran Gavrić: Genau! Im ersten Schritt waren drei Wochen vorgegeben und mit der zweiten Woche kam schon die Empfehlung und auch miteinander die Absprache, dass wir einen Antrag auf weitere drei Wochen stellen, sodass ich dann halt insgesamt sechs Wochen bei Ihnen war.

Rebecca Jung: Und dann haben Sie auch unsere Klinik gehend verlassen. Das sind immer die schönsten Geschichten. Wie war das denn, als Sie dann wieder zu Hause waren, der Übergang von der Reha in den Alltag, in das Berufsleben und in das private Umfeld? Wie haben Sie das erlebt?

Zoran Gavrić: Ich kann natürlich nur für mich sprechen. Innerhalb dieser sechs Wochen beziehungsweise zehn Wochen inklusive Aufenthalt in Heilbronn habe ich zu keinem Zeitpunkt gesagt, dass ich krank bin. Also ich wollte einfach nur zurückkehren, nicht nur in meine Wirkungsstätte, also im Job, sondern einfach auch daheim wirklich ankommen. Also sprich, am ersten Tag wurde ich abgeholt, bin in meinen Wagen gestiegen und habe die erste Runde einfach mal gedreht, damit ich einfach da die Sicherheit wieder zurückgewinne. Am Folgetag haben mich schon meine Freunde überrascht mit einem Fahrrad, also mit einem Bike. Das sind halt wie gesagt die tollen Momente. Ich bin da einfach unheimlich dankbar, dass ich ein gutes Umfeld habe. Und bin dann einfach wie gesagt während den Sommermonaten Fahrradfahren gewesen. Anfangs waren es fünf Minuten und am Ende waren es dann halt 30 Kilometer, sprich, 90 Minuten. Und alles erfordert einfach so einen kontinuierlichen Aufbau, Prozess. Und man kann sich das nicht her wünschen, man muss halt auch was dafür tun und vor allem aber auch behutsam vorgehen, glaube ich. Und da musste ich mich auch ein Stück weit durch den Herrn Dr. Masalha und die Physiotherapeuten auch dahingehend erlernen, dass ich einfach behutsam und mit Geduld vorgehe. Das ist halt mega-wichtig, weil sonst kommt die Rolle rückwärts, glaube ich. Ich war an manchen Tagen mega-müde und erschöpft, aber es hat mich eigentlich nur darin bestärkt, dass sich jetzt was tut. Also solange ich irgendwo Muskelkater gespürt habe, war ich eigentlich happy, weil der Körper hat reagiert. Das waren doch eher tolle Momente, auch wenn ich mich dann drei Stunden auf die Couch gelegt hatte.

Rebecca Jung: Ja, wichtiger Punkt, Geduld mit sich selber haben und mit den Dingen.

Zoran Gavrić: Genau! Man muss einfach Geduld aufbringen. Ich habe dieses unfassbare Glück, dass ich nach sechs Monaten im Job wieder tätig war. Aber wenn es bei dem einen oder anderen eben 18 Monate dauert, dann ist es so. Man darf sich da einfach auch nicht überfordern. Man sollte jedoch dennoch glaube ich ein Stück weit immer wieder mal die Grenzen auch ausloten. Also wirklich an gewisse Grenzen gehen, damit man dann auch wieder zurückkommt. Ich kann nicht einfach nur in diesen Bequemlichkeitsmodus übergehen, glaube ich persönlich. Was aber natürlich bei älteren Herren und Damen deutlich schwerer auch der Fall ist. Mit 33 kommst du wahrscheinlich stärker zurück wie eben mit Mitte 60.

Zoran Gavrić: Das muss man auch fairerweise sagen.

Rebecca Jung: Ist das so, Herr Rittner?

Stefan Rittner: Ja. Grundsätzlich ist der Körper schon in jedem Alter trainierbar, also theoretisch auch noch mit 90, aber in jungen Jahren hat man natürlich deutlich mehr Energie. Aber von der Grundsätzlichkeit her ist das schon auch in jedem Alter möglich, selbst ein 90-Jähriger kann sogar noch Muskeln trainieren und kann aufbauende Prozesse haben, also das ist dann schon lebenslang möglich. Aber die Energie ist natürlich deutlich größer in jüngeren Jahren.

Rebecca Jung: Herr Gavrić, geht’s Ihnen denn heute wieder gut? Sind alle Symptome weg? Sind sie wiederhergestellt?

Zoran Gavrić: Ja, anfangs hatte ich wirklich in der Bandbreite enorm viele Problemchen, also vom Kognitiven bis über das Lungenvolumen. Aber ich kann heute sagen, dass ich auf einem sehr guten Stand bin. Noch nicht auf dem alten Stand, aber ich kann nicht mosern. Und ich gehe meinem normalen Alltag nach. Auf dem Stepper bin ich inzwischen 80 Minuten unterwegs, was für mich ein Erfolg ist. Auch die Tartanbahn traue ich mich noch nicht oder auf den harten Asphalt, weil ich glaube, da bin ich einfach noch nicht reif dafür, momentan auch physisch gesehen. Aber so an sich, ja, ich bin dankbar, also mein Lungenfunktionstraining hilft mir unheimlich. Ich kann eigentlich alles machen und bin auch belastbar. Die Fehlerquote ist relativ gering im Geschäft, was bei mir auch sehr wichtig ist.

Stefan Rittner: Ich glaube, viele wissen gar nicht, was eine Tartanbahn ist.

Rebecca Jung: Nein, ich weiß es tatsächlich nicht. Was ist eine Tartanbahn?

Stefan Rittner: Da finden die Leichtathletik-Wettkämpfe statt.

Stefan Rittner: Der 100 Meter Lauf bei Olympia, die laufen auf einer Tartanbahn.

Speedfragerunde / Minute 00: 31:35

Rebecca Jung: Also, Herr Gavrić hat auf jeden Fall Ziele. Ich würde gerne zu unserer Speed-Fragerunde kommen. Ich stelle Ihnen jeweils eine kurze Frage und möchte Sie bitten, möglichst kurz zu antworten. Herr Rittner, was ist Ihr bester Trick, um unwillige Patient*innen zu motivieren?

Stefan Rittner: Kurze Antwort. Da haben Sie mich jetzt tatsächlich erwischt. Der Herr Gavrić hat es schon gesagt, die Kunst ist tatsächlich, die Kunst ist tatsächlich, zu trainieren, nur dann kann sich der Körper anpassen. Eine Minute trainieren, eine Minute gehen, dann kann ich irgendwann mal 30 Minuten gehen. Wenn ich nicht gehe, wenn ich gar nicht gehe, kann sich auch der Körper nicht anpassen, dann komme ich auch nie auf die 30 Minuten. Erste Prinzip: Tun, maßvoll tun, so dass ich mich wohlfühle. Und zweite Prinzip: Erholung. Belastung, Erholung, des is Training.

Rebecca Jung: Danke schön! Dr. Masalha, welche Rolle spielt das Umfeld, also Familie und Freunde bei der Genesung?

Amjad Masalha: Das soziale Umfeld ist immer wichtig, vor allem, wenn ein gutes Verhältnis da besteht. COVID Erkrankung oder allgemeine andere Erkrankungen. Wir kennen das auch in der Neurologie, Demenz und anderes, das immer positiv beeinflussend, also für schnellere Besserung und für bessere oder Beschleunigung des positiven Verlaufs. Und gutes Umfeld ist immer positiv und gewünscht.

Rebecca Jung: Herr Gavrić, welchen Tipp haben Sie für jemanden, der heute in einer ähnlichen Situation ist wie Sie damals vor sechs Monaten?

Zoran Gavrić: Die positive Grundeinstellung mitbringen, sich nicht aufgeben lassen, never give up. Also da gibt’s ganz, ganz viele positive Sprüche, die einfach wirklich verinnerlichen. Mit dem steht und fällt alles, glaube ich.

Rebecca Jung: Hatten Sie, frage ich jetzt mal noch, hatten Sie irgendwas in Ihrem Zimmer, was Sie motiviert hat, ein Bild, ein Plüschtier?

Zoran Gavrić: Meine Frau, die hat mich mit meinem Bruder überrascht zum Geburtstag. Den durfte ich natürlich nicht mit denen feiern, aber klingt jetzt auch mal wieder aberwitzig für den ein oder anderen, aber ich hatte Luftballons auf meinem Balkon.

Rebecca Jung: Oh!

Zoran Gavrić: Und der Blick Richtung Luftballons hat einfach nur Positives mit sich gebracht. Die sind auch nicht nach zwei Tagen alle gewesen, also die Luft war nicht draußen. Umso schöner, dass ich sie mal über drei Wochen am Stück sehen durfte.

Rebecca Jung: Schön!

Zoran Gavrić: Ich war ja komplett isoliert von der Familie. Musst du halt anderweitig positiv bleiben.

Rebecca Jung: Ja, das war ein hartes Jahr auf jeden Fall mit dem Lockdown und dem Besuchsverbot in den Kliniken. Das war in vielerlei Hinsicht schwierig. Ja, völlig richtig.

Zoran Gavrić: Wir sind ja noch nicht durch.

Rebecca Jung: Das stimmt, das stimmt, Herr Gavrić. Wir sind mittendrin. Ich habe abschließend eigentlich nur noch die Frage an Sie alle drei, ich fang aber mal mit Herrn Rittner an: Haben Sie noch irgendetwas auf dem Herzen in Bezug auf Post COVID, Long COVID, auf das, was wir besprochen haben? Irgendetwas, was Sie jetzt noch loswerden möchten?

Stefan Rittner: Ich habe heute erst gelesen, dass 40 % aller Long COVID Patienten noch nicht diese, nach sechs Monaten noch nicht diese Leistungsfähigkeit wiederhergestellt haben, die sie eben vor COVID hatten. Und das Spannende ist einfach, auch die Forschung, wie wird die Entwicklung weitergehen, was kommt auch an neuen Trainingsmethoden? Das ist natürlich brennend interessant für mich, was kommt auf uns zu? Also das ist ein spannendes Thema. Ich kann nur eins sagen: Jetzt nochmal diese optimistische Grundeinstellung nochmal mitgeben. Es ist viel schwerer eigentlich. Ich natürlich jetzt leicht außenstehend, aber das ist die Kunst, eigentlich sowas zu können, weil die Heilung einfach deutlich besser beeinflusst wird, wenn es uns gelingt, die Ziele zu sehen eben, ich will wieder lang Fahrrad fahren, ich möchte wieder das können, in kleinen Schritten beginnen. Also wenn diese Einstellung mitgebracht wird, das ist schon 100 %, was da kommt. Und dann ziehe ich auch die maximale Ressource an Rehabilitationsprozessen, an Heilungsprozessen, als wie, wenn ich zum Beispiel diese positive Grundeinstellung nicht mitnehme. Also da ist auch das Training viel höher wert, und das Training ist meiner Meinung auch nicht so viel wert, wenn ich das nicht mitbringe und sage, mir hilft nichts mehr, ich gebe auf. Da kann ich eigentlich machen, was ich will. Und die Einstellung, die sehe ich eigentlich schon, eine Mustereinstellung ist das einfach. Ich hoffe, ich sage das mal ganz deutlich, ich hoffe, ich kann das dann auch in Krankheitsfällen. Weil das ist ja nicht immer so leicht selber. Noch rede ich mal da leicht, aber das ist einfach eine perfekte Abstimmung.

Rebecca Jung: Ja, das ist sehr beeindruckend bei Herrn Gavrić, das haben wir glaube ich alle in den Gesprächen mit ihm bemerkt. Herr Masalha, haben Sie noch irgendetwas in Bezug auf Post oder Long COVID, oder auf irgendetwas, was wir besprochen haben? Möchten Sie noch was sagen?

Amjad Masalha: Also zwei Punkte. Der erste, was bereits erwähnt wurde, die positive Einstellung und die Überzeugung des Patienten von den Therapiemaßnahmen, von den Therapeuten. Das ist sehr richtig, das wurde bereits auch in alten Kulturen, verschiedenen Kulturen mal so erwähnt und gibt so viele kleine Geschichten und Anekdoten darüber. Der zweite Punkt, das ist: Nicht aufgeben. Geduldig und einfach nicht aufgeben. Es kann nur besser werden. Die Forschung und die Wissenschaft arbeiten daran und man erhält immer neue Erkenntnisse, die dann nur helfen, um da das Krankheitsbild kennen zu lernen und so zu besiegen. Daher, es sieht gut aus. Man darf, man muss sogar optimistisch dabei sein und etwas tun

Rebecca Jung: Herr Gavrić, möchten Sie noch was sagen?

Zoran Gavrić: Die Leute, die diesen Podcast verfolgen oder hier auch zuhören in dieser Staffel, denen würde ich einfach ein Stück weit die Hoffnung geben wollen, dass sie einfach, wie die beiden Herren zuvor sagten, positiv an die Sache rangehen, sich nicht aufgeben lassen und das Beste aus der Sache auch machen. Bei dem einen oder anderen kommt eben die Rehabilitation zu 100 % zurück, bei dem einen oder anderen womöglich nicht. Aber man sollte sich nicht mit dem Ist-Stand zufriedengeben.

Rebecca Jung: Herr Gavrić, ich kann mich an Herrn Rittner da nur anschließen und hoffe, dass ich im Krankheitsfalle und wenn es darauf ankommt auch nur ein Stück weit Ihre Einstellung halten kann. Ich habe auf jeden Fall sehr viel gelernt heute. Vielen Dank! Das war eine weitere Folge der „Frühbesprechung“ über Long COVID, Post COVID. Vielen Dank an meine Gäste, die dieses interessante Gespräch möglich gemacht haben, vor allem an Sie, Herr Gavric, für Ihre Offenheit. Wenn Sie, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, von den Informationen profitieren konnten, dann abonnieren Sie unseren Podcast und empfehlen Sie uns gerne weiter. Und wenn Sie eine bestimmte Frage zum Thema Post oder Long COVID haben, dann schreiben Sie uns. Entweder nutzen Sie dafür die Kommentarfunktion der Streaming-Plattformen wie Spotify oder Apple Podcast, oder Sie mailen direkt an fruehbesprechung@dbkg.de. Wir werden uns bemühen, die Antwort für Sie zu recherchieren und hier in der „Frühbesprechung“ zu beantworten. Das war‘s für heute. Vielen Dank und bis zum nächsten Mal!

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