000 - Vorstellung des Podcasts / Pflege trifft Corona
Shownotes
Corona ist ein weites Feld – gerade auch für die Reha. Das wird in unserer Folge 0, „Pflege trifft Corona“ direkt deutlich. Mareen, Pflegedienstleitung, und Carina, Pflegekraft, berichten von ihrem Arbeitsalltag in der neurologischen Rehaklinik Dr. Becker Neurozentrum Niedersachsen. Hier hat Corona nicht nur Arbeitsabläufe verändert, sondern auch Teamzusammensetzungen beeinflusst. Mit Corona kam außerdem eine neue Patientenklientel ins Haus.
Shownotes
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Folge 000: Pflege trifft Corona
Folge 000: Aufgenommen im Dr. Becker Neurozentrum Niedersachsen, Bad Essen
Folge 000: Essensausgabe, Therapien und Co – Corona stellt Prozesse auf den Kopf
Folge 000: [TC 00:09:31]Der erste Post-Corona-Patient
Folge 000: [TC 00:17:00]Die Auswirkungen von Corona werden noch lange in der Reha zu spüren sein
Folge 000: [TC 00:19:59]Wenn der Verwaltungsdirektor Tee an die Patienten ausschenkt – das Positive in der Krise
Gordon:
Gordon: Herzlich willkommen zur Frühbesprechung! Ich freue mich, dass du dabei bist.
Gordon: Mein Name ist Gordon Schönwälder und ich führe dich als Moderator durch diese erste Podcast-Staffel. Bevor ich beruflich mit Podcasts gestartet bin, habe ich als Ergotherapeut lange in einer Rehaklinik gearbeitet. Deswegen freue ich mich sehr, diese beiden Welten hier verknüpfen zu können.
Denn darum geht’s in der „Frühbesprechung“: das Arbeiten in der Reha! Hier braucht es noch Aufklärung. Denn es ist doch so: Reha kommt in Pflege-, Mediziner- oder Therapeutenausbildungen kaum vor. Und das führt dann zu komischen Vorstellungen darüber, was Reha-Medizin sei; Stichwort Tango und Fango. Wie spannend im Gegenteil das Arbeiten in der Reha ist, das erzählen euch meine Gesprächspartner:innen hier im Podcast!
In jeder Folge erzählen Fachleute von ihrem Arbeitsalltag, ihrer interdisziplinären Zusammenarbeit und ihren Erfolgsstories. Dabei haben wir darauf geachtet, dass du aus jeder Folge Wissenssnacks mitnehmen kannst, die dich in deinem Job als Pflegekraft noch besser werden lassen. Denn die Reha-Pflege steht im Zentrum unserer ersten Staffel. In der zweiten Staffel werden wir dann eine andere Berufsgruppe der Rehamedizin in den Fokus nehmen, Physiotherapeut: innen zum Beispiel oder Psycholog:innen. Soweit erstmal einleitend zu unserem Podcast.
Noch kurz was zu den Aufnahmen: Wir waren gerade mit den letzten Folgen durch, da kam Corona – und brachte alles durcheinander.
Wir hatten sechs Folgen mit interessanten Gesprächen – und die Pandemie und was sie für unsere Mitarbeitenden bedeutet, kam nicht einmal vor. Das ging natürlich nicht!Also haben wir, sobald Zeit dafür war, noch eine Corona-Folge aufgenommen und vor die Interview-Reihe gesetzt. Diese Folge… hörst du gerade. Sei also bitte nicht verwundert, wenn in den folgenden Episoden das Thema Covid-19 erstmal nicht wieder zur Sprache kommt. Wir arbeiten daran. Denn Corona ist ein großes Feld gerade auch für die Reha, Stichwort LongCovid. Das wird schon in dieser Folge gleich ziemlich deutlich werden. Ich spreche mit Mareen Guth und Carina Scheming aus dem Dr. Becker Neurozentrum Niedersachsen, einer neurologischen Reha-Klinik. Mareen ist dort Pflegedienstleitung, Carina ist Physiotherapeutin. Wir sprechen über ihre Arbeit mit Corona-Patient: innen, über unerwartete Krankheitsverläufe und wie man als Team in einer globalen Krise zusammenwächst.
Wir hatten sechs Folgen mit interessanten Gesprächen – und die Pandemie und was sie für unsere Mitarbeitenden bedeutet, kam nicht einmal vor. Das ging natürlich nicht!Also haben wir, sobald Zeit dafür war, noch eine Corona-Folge aufgenommen und vor die Interview-Reihe gesetzt. Diese Folge… hörst du gerade. Sei also bitte nicht verwundert, wenn in den folgenden Episoden das Thema Covid-19 erstmal nicht wieder zur Sprache kommt. Wir arbeiten daran. Denn Corona ist ein großes Feld gerade auch für die Reha, Stichwort LongCovid. Das wird schon in dieser Folge gleich ziemlich deutlich werden. Ich spreche mit Mareen Guth und Carina Scheming aus dem Dr. Becker Neurozentrum Niedersachsen, einer neurologischen Reha-Klinik. Mareen ist dort Pflegedienstleitung, Carina ist Physiotherapeutin. Wir sprechen über ihre Arbeit mit Corona-Patient: Ich wünsche dir viel Spaß bei dieser Episode.
Wir hatten sechs Folgen mit interessanten Gesprächen – und die Pandemie und was sie für unsere Mitarbeitenden bedeutet, kam nicht einmal vor. Das ging natürlich nicht!Also haben wir, sobald Zeit dafür war, noch eine Corona-Folge aufgenommen und vor die Interview-Reihe gesetzt. Diese Folge… hörst du gerade. Sei also bitte nicht verwundert, wenn in den folgenden Episoden das Thema Covid-19 erstmal nicht wieder zur Sprache kommt. Wir arbeiten daran. Denn Corona ist ein großes Feld gerade auch für die Reha, Stichwort LongCovid. Das wird schon in dieser Folge gleich ziemlich deutlich werden. Ich spreche mit Mareen Guth und Carina Scheming aus dem Dr. Becker Neurozentrum Niedersachsen, einer neurologischen Reha-Klinik. Mareen ist dort Pflegedienstleitung, Carina ist Physiotherapeutin. Wir sprechen über ihre Arbeit mit Corona-Patient: [TC 00:03:33]
Wir hatten sechs Folgen mit interessanten Gesprächen – und die Pandemie und was sie für unsere Mitarbeitenden bedeutet, kam nicht einmal vor. Das ging natürlich nicht!Also haben wir, sobald Zeit dafür war, noch eine Corona-Folge aufgenommen und vor die Interview-Reihe gesetzt. Diese Folge… hörst du gerade. Sei also bitte nicht verwundert, wenn in den folgenden Episoden das Thema Covid-19 erstmal nicht wieder zur Sprache kommt. Wir arbeiten daran. Denn Corona ist ein großes Feld gerade auch für die Reha, Stichwort LongCovid. Das wird schon in dieser Folge gleich ziemlich deutlich werden. Ich spreche mit Mareen Guth und Carina Scheming aus dem Dr. Becker Neurozentrum Niedersachsen, einer neurologischen Reha-Klinik. Mareen ist dort Pflegedienstleitung, Carina ist Physiotherapeutin. Wir sprechen über ihre Arbeit mit Corona-Patient: Essensausgabe, Therapien und Co – Corona stellt Prozesse auf den Kopf
Gordon: Mareen, Carina – vielen Dank für eure Zeit, die ihr euch für diese Folge nehmt. Ich weiß ja wie viel gerade in Therapieeinrichtungen los ist und wie knapp Zeit ist. Dennoch eine offene Frage vorweg: Wie hat Corona den Arbeitsalltag verändert?
Mareen Guth: Also ich fand’s am Anfang mega-stressig im Frühjahr. Wir wussten ja noch so gar nicht, was auf uns zukommt. Und dann haben wir radikal ganz viel geändert. Da sind ja auf einmal dann alle Patient:innen weg gewesen und es waren viel weniger, aber wir hatten viel mehr Belastung. Und dann diese ganzen vielen Prozesse, die wir noch geändert haben. Wie hast du das empfunden?
Carina Scheming: Ich habe das genauso empfunden. Für mich war das nicht mehr der normale Klinikalltag. Es hat sich angefühlt wie in einer anderen Welt. Wenn man morgens hierherkam, allein schon dieses, wenn man am Raucherhäuschen vorbeiging, das war früher immer voll morgens um acht, das war auf einmal leer. Genauso aber auch im Therapiezentrum, es war ruhig. Wir haben ja die Patient:innen alle nur noch auf Station behandelt. Hatten dann ja auch relativ zeitnah keine Gruppentherapien mehr. Dementsprechend war das Therapiezentrum ja wie leergefegt. Man hat sich nur noch oben auf Station aufgehalten. Es war schon eine gravierende Veränderung im Klinikalltag, fand ich.
Mareen Guth: Für uns in der Pflege war das ja ganz schön, dass auf einmal nicht alles da weg war von uns und wir immer nur Patienten wegbrachten oder über den Patientenbegleitdienst halt weggeschickt hatten, sondern dass ihr auf einmal alle zu uns gekommen seid. Aber ich weiß noch, wie stressig das auch gewesen ist, dass wir jetzt auf einmal dann das Essen neu organisieren mussten und was uns das für Mühe gekostet hat, die EDV umzustellen, die ganze Organisation umzustellen und dann auf einmal wieder auf dieses Tablett-System zu gehen. Und wie schwer das auch für die Patient:innen teilweise gewesen ist, weil die es ja jetzt auch, die die noch da waren, gewohnt waren, dass sie halt dieses Buffetessen hatten und auf einmal haben wir denen so einen Teller dahingepackt und die fanden das total blöd. Und auch die Wünsche dann aufzunehmen und sowas alles. Wer macht das und wer ist zuständig und wie wird das ins System eingegeben? Das war ja schon heftig. Und was für die Pflege, glaube ich, am schlimmsten war, war, dass wir auf einmal nicht mehr so therapeutisch sein konnten. Also wir hatten ja eigentlich so den Anspruch, auch anleitend zu pflegen, und deswegen sind ja Mitarbeiter:innen auch in der Reha, in der Pflege. Aber auf einmal hatten wir da die Akutpatient:innen, und die waren schwer betroffen. Und wir haben auf einmal statt einer Infusion pro Monat diese ganze Ablage voll mit Infusionen stehen. Und wir hatten ja auf einmal viel mehr Verlegungen und Notfälle. Und ich erinnere mich noch an eine Patientin, die kam postoperativ. Die hatte dann auf einmal eine riesengroße Nachblutung. Das wurde dann noch ein richtig heftiger Notfall mit Intubation und so. Das sind ja so Sachen, die wir so eigentlich bei uns in der Reha so gar nicht kannten.
Carina Scheming: Ja, das stimmt.
Mareen Guth: Das fand ich echt krass. Und das hat sich ja wahrscheinlich für euch auch therapeutisch dann so geändert, dass ihr dann andere Patient:innen auf einmal zu versorgen hattet, ne?
Carina Scheming: Ja, die Akutpatient:innen waren auch anders zu behandeln. Ich kann mich an einen Fall erinnern, meine Ärztin sagte, er ist doch eher tendenziell hospizmäßig hier gewesen, weil er doch sehr schwer krank war, er hatte, glaube ich, Krebs damals, und hat ziemlich abgebaut. Den habe ich tatsächlich im Bett passiv bewegt. Was ich hier aus dem Klinikalltag noch nie erlebt habe. Was ja auch eigentlich nicht das Ziel einer Reha ist. Es ist ja eigentlich eher tendenziell ein Patient, der eben nicht in die Reha kommt, sondern halt eben vielleicht begleitet wird in einem schönen Haus, in einem schönen Umfeld, und auf einmal ist er hier und wird dann auch noch therapeutisch …. Der Ansatz, das war für mich unheimlich schwer, den Ansatz zu finden, was mache ich mit diesem Patienten? Er war nicht in der Lage, sich zu äußern, weil er einfach sehr benommen auch war. Ich glaube, der war einfach medikamentös gut eingestellt. Aber das war schon eine andere Patientenklientel und andere Ziele. Was ich so nicht kannte und auch jetzt nicht nochmal erlebt habe tatsächlich. Aber damals war das so.
Mareen Guth: Ja, das ist tatsächlich das, was wir halt auch so erlebt haben. Weil die Akut-Krankenhäuser meldeten ja auf einmal alle an, die mussten ja jetzt ihre Betten freimachen. Und wir hatten ja damals die 50 Betten akut freigegeben. Und auf einmal kamen ja alle frisch aus dem Akut-Krankenhaus und wir wussten ja teilweise gar nicht, was das ist. Gut, die waren alle neurologisch, die Diagnose kannten wir, aber das, was die dahinterstecken hatten, das war ja für uns irgendwie ganz, ganz unbekannt. Und ich kann mich noch daran erinnern, dass wir die große Sorge hatten, wir haben ein Akut-Krankenhaus und drei Tage später hieß es auf einmal: Oh! Und ihr macht jetzt übrigens auch noch Kurzzeitpflege. Und da habe ich gesagt: Wie sollen wir das denn noch machen? Wir sind ja nicht auf einmal mehr Pflegekräfte geworden. Und die Rentenpatient:innen, die uns verlassen hatten, die haben ja kaum einen pflegerischen Aufwand gehabt. Das waren ja eher die Patient:innen, die bei euch in der Therapie hoch frequentiert waren. Aber wir hatten auf einmal nur noch Pflege, aber nicht mehr Leute. Und als es dann noch hieß, ja, und jetzt aus den Heimen die Kurzzeitpflege, die kriegt ihr jetzt auch noch, da haben wir geschluckt und haben gedacht: Okay! Das wird heftig. Aber es ist ja letztendlich dann keiner da gewesen, aber wir hatten uns halt auch tatsächlich darauf vorbereitet. Und parallel dazu hatten wir dann ja noch Stationen abgetrennt, falls wir jetzt doch noch Corona kriegen, und haben ja die Schutzausrüstung beschafft. Das weiß ich noch, dass das auch dann irgendwie kein Abschalten war, sondern du hast auf dem Sofa zu Hause gesessen und hast gedacht: Oh! Was habe ich noch vergessen? Und ich hatte dann immer meinen Notizzettel neben mir, damit ich mir noch was aufschreiben konnte.
Carina Scheming: Ja, das glaube ich, dass man auch viel von zu Hause dann gemacht hat.
Mareen Guth: Ja.
Carina Scheming: Vorher war es vielleicht so, raus aus der Klinik und jetzt erst mal privat, mal abschalten, aber das ging in der Zeit einfach nicht, ne?
Mareen Guth: Nein, wir haben ja teilweise sogar noch Konferenzen gehabt. Dann hatte ich auf einmal Videokonferenzen mit einem Chefarzt und dem Verwaltungsdirektor, und wir konnten uns gegenseitig in die Küche gucken. Das war auch mal was ganz Neues von Zusammenarbeit. Das war schon echt spannend. Ja.
Carina Scheming: Ja, das glaube ich.
Carina Scheming: [TC 00:09:31]
LongCovid: Der erste Post-Corona-Patient
Gordon: Apropos spannend: Na ja klar, es ist natürlich auch spannend, diese neuen Sichtweisen auf die Kollegen:innen zu bekommen, wenn man denen auch mal in die Küche schauen kann, wie du das sagtest. Aber spannend, und vor allen Dingen auch medizinisch spannend, war eine neue Art von Patient:in, oder?
Mareen Guth: Dann war es ja erst mal mit den Akutpatienten vorbei. Und dann kann ich mich noch daran erinnern, dass wir auf einmal den ersten Post-Corona-Patienten kriegten, und wir alle gar nicht wussten, was da jetzt passiert. Ich weiß noch, das war ein Patient, der lag auf der 1, und eigentlich hatte der nichts. Der war nur platt. Und ich kann mich daran erinnern, dass der echt lange bei uns gelegen hat, weil wir versucht haben, den wiederaufzubauen. Der ist nachher dann bei uns immer noch durch den Park gelaufen und hatte eine Herzfrequenz von über 200 nach ein paar Metern Belastung. Und das weiß ich noch, das war so der erste Patient, den wir dann erlebt haben, der tatsächlich also Corona-erkrankt war und jetzt zwar schon wieder negativ war, aber dann zu uns in die Reha kam. Da waren wir auch sehr aufgeregt erst mal, das weiß ich noch.
Gordon: O.k., das ist ein sehr gutes Beispiel dafür, dass man schwer kranken oder beeinträchtigten Menschen ihre Krankheit von außen manchmal gar nicht ansehen kann. Und das kenn ich als Therapeut auch von den Patienten:innen mit Multipler Sklerose. Nein, man sieht von außen erst einmal zwar nix, aber die Gangunsicherheiten und Wahrnehmungsproblematiken, die sind da. Ich habe gelesen, dass diese körperliche Schwäche nach einer Corona-Erkrankung auch oft eine Polyneuropathie ist, also eine Erkrankung des peripheren Nervensystems, was dann zu motorischen oder sensorischen Problemen führen kann. Ist das bei Corona-Patienten:innen immer da oder eher eine Begleiterkrankung? Und was mich auch interessiert: Wie äußert sich eine Polyneuropathie in diesem Fall?
Carina Scheming: Ich glaube, häufig war die Polyneuropathie auch einfach so ein Begleitsymptom nach der COVID-Erkrankung. Die Patient:innen sind oft auch von einer Schwäche geplagt. Das, was ich halt eben sehen konnte. Der eine schwerer betroffen, der andere ein bisschen weniger schwer betroffen, aber was sie vor allem alle hatten, war, dass sie sehr unsicher waren, sei es im Stand oder auch während des Gehens. Das liegt einfach, glaube ich, auch daran, dass sie ihre Füße oder Beine oder wie auch immer nicht gut fühlen konnten. Was darauf zurückzuführen ist, dass sie einfach von den sensiblen Nerven her für einen Moment geschädigt sind, was ja diese Polyneuropathie auch ausmacht.
Gordon: Was ist in diesem Zusammenhang jetzt die größte Gefahr für die Patienten:innen?
Carina Scheming: Diese Polyneuropathie-Patient:innen sind vor allem stark sturzgefährdet. Was auch wieder, wie ich es ja gerade schon gesagt habe, darauf zurückzuführen ist, dass sie sich einfach nicht so gut erspüren, dass sie nicht wissen, wo sie ihren Fuß aufsetzen, dass sie auch nicht erspüren: Was ist unter mir? Ist das jetzt gerade fester Boden, ist das ein wabbeliger Untergrund, also ein instabiler Untergrund? Diese Rückmeldung, die ist einfach nicht da. Und wenn diese Rückmeldung nicht da ist, bin ich sturzgefährdet. Wenn man überlegt, dass das einfach eine Folgeerscheinung von COVID ist, ist das schon eine starke Beeinträchtigung, würde ich sagen. Die Prozedur, also die Therapie an sich, die haben eine gute Erholung. Es ist nicht so, dass die hier keine Fortschritte machen. Die machen eigentlich sehr gute Fortschritte, weil man sie halt eben auch mit diesen verschiedenen Untergründen immer wieder in Verbindung bringt beziehungsweise die Erfahrung machen lässt, wodurch sie natürlich dann auch wieder lernen, zu erfühlen. Aber sie sind erst mal für den Moment schwer betroffen und sturzgefährdet.
Mareen Guth: Ist ja auch für uns in der Pflege total interessant, dass dann diese Patient:innen, die vielleicht auch nach außen dann erst mal total fit aussehen, trotzdem sturzgefährdet sind und man sich vielleicht wundert, weshalb die jetzt gerade so über den Flur eiern.
Carina Scheming: Genau. Ja.
Mareen Guth: Da hast du ja manchmal das Gefühl, die schwanken so richtig. Aber du hast jetzt gesagt, das wäre alles auch therapierbar gewesen. Aber ich kann mich an den Patienten ganz, ganz eindrücklich erinnern, der letztendlich eine Corona-Infektion hatte und dann langzeitbeatmet auf der Intensiv lag und der nämlich nicht-reversible Schäden hatte. Das war dieser, ich weiß nicht, du hast den, glaube ich, nicht kennengelernt, das war ein Taxifahrer. Der hatte nach der Post-Beatmung tatsächlich einen Lagerungsschaden am Arm und der hatte dann eine Plexusläsion, das heißt, der Arm, der hing total schlapp runter. Und der war jung, der war knapp 40 oder so. Und da war der Arm jetzt nach dieser Maßnahme und aufgrund dieser Infektion so betroffen, dass der nie wieder arbeiten konnte. Das fand ich schon richtig heftig. Ich meine, wenn man überlegt, dass es am Anfang hieß, ja, eigentlich ist es eher was wie eine Grippe und von den Symptomen wie eine Grippe, und dann siehst du auf einmal diesen Menschen da, der dir gegenübersteht und wo du weißt, diese Erkrankung hat den jetzt komplett seine Existenz gekostet. Und der sah auch noch so furchtbar aus, der hatte ja diese Bauchlage gehabt auf der Intensivstation und hatte tatsächlich Druckstellen im Gesicht. Also der hatte da wirklich so Dekubiti, also diese Druckgeschwüre im Gesicht. Das sah dann nachher nicht mehr so schlimm aus und ist auch abgeheilt, aber der Arm ist halt unbrauchbar geblieben.
Carina Scheming: Für lange Zeit, also wenn die lange Zeit beatmet werden, klar, dann lange Druckschädigung.
Gordon: Man hört ja ziemlich oft, dass sich Auswirkungen durch die COVID-Erkrankung erst später bemerkbar machen können. Und ich glaube, ihr hattet auch Patienten:innen, die kognitive Einschränkungen noch lange nach der Akutphase zeigten. Was war denn da?
Mareen Guth: Da haben wir, glaube ich, erst spät festgestellt und mitbekommen, dass wir auch diese Konzentrationsstörungen haben und die dann in eine Neuro-Reha kommen, damit dann auch die Neuropsycholog:innen noch mal draufgucken. Das war auch eine junge Frau und vorher hatte die kaum Symptomatik, also die war nicht mal im Krankenhaus. Und dann merkte man auf einmal, irgendwie passt die Rübe noch nicht, irgendwas stimmt da noch nicht. Das hast du ja wahrscheinlich bei deinen Patient:innen auch schon bemerkt, dass die da irgendwie so ansatzweise jetzt auch kognitiv eingeschränkt sind?
Carina Scheming: Ja, mit Sicherheit. Worauf das zurückzuführen ist, weiß ich nicht. Aber doch, ich glaube, es liegt auch einfach viel daran, wenn die einfach auch lange gelegen haben. Ich weiß nicht, ob man dann einfach ein bisschen abbaut, auch vom Kopf her, weil man den Kopf einfach auch nicht so viel nutzen muss. Im Alltag ist das ja schon so, dass ich alles Mögliche strukturieren muss, vorplanen muss, flexibel agieren muss, und wenn man vielleicht einfach tendenziell ein bisschen länger liegt und dann auch noch so schlapp ist und vielleicht auch noch beatmet wird, je nachdem wie schlimm es halt eben ist, glaube ich schon, dass man dann da auch kognitive Einschränkungen hat, die einen dann auch im Alltag, obwohl man fit wirkt, sehr einschränken.
Carina Scheming: [TC 00:17:00]
Carina Scheming: Die Auswirkungen von Corona werden noch lange in der Reha zu spüren sein
Gordon: Carina, glaubst du, dass ihr noch lange was mit Corona und den Auswirkungen zu tun haben werdet?
Carina Schemig: Ja. Ich glaube schon.
Mareen Guth: Ich glaube, auch. Ich glaube, ganz, ganz viele noch in die Reha irgendwann zu uns kommen müssen, die man jetzt noch so gar nicht auf dem Schirm hatte. Und ich habe ja auch teilweise gesehen, dass sie auch wirklich erst nach zwei, drei Monaten zu uns in die Reha kamen und dann erst mal von der Beatmung auch abkamen. Wenn ich mir das jetzt überlege, was da jetzt auch die kommenden Monate noch kommt, gerade wo die Zahlen jetzt so hoch sind, und dann wie in dem Fall von der Frau, die ich eben meinte, vielleicht auch erst mal auf den ersten Blick gar nicht sowas ersichtlich ist. Ich glaube, gerade so ein Post-Corona-Reha, da wird noch ein großer Bedarf entstehen.
Carina Scheming: Doch, das glaube ich auch. Ja. Was man vielleicht jetzt auch in den nächsten Monaten noch gar nicht so merkt, sondern vielleicht dann wie bei der Frau ja auch erst Monate später. Corona ist ja auch einfach noch nicht so gut erforscht, auch die ganzen Folgeschäden. Sie sind zwar da, das sieht man auch für den Moment, aber was das alles mit sich zieht. Ich glaube schon, dass wir da noch einiges an Patient:innen kriegen werden.
Gordon: Dann wünscht man sich als Team ja irgendwie wieder eine neue Art von Normalität, wenn es jetzt ja schon so weiter geht mit den Langzeitfolgen, oder?
Mareen Guth: Aber hoffentlich dann eher so ansatzweise, wie wir sie im Sommer hatten, als wir jetzt so ein bisschen Normalität auch wieder hatten. Also momentan sehe ich ja, wir waren im Frühjahr total angespannt, im Sommer wurde es dann wieder ruhiger, und jetzt fangen wir ja gerade wieder an. Also ich weiß, wir sind ja jetzt wieder dabei, wir haben jetzt wieder einen Bereich abgesperrt für die Corona-Patienten, wir testen jetzt alle Patient:innen, alle Besucher:innen, alle Mitarbeiter:innen regelmäßig. Wir sind ja letztendlich auch jetzt schon wieder nicht mehr in der Normalität, die wir mal im Sommer hatten, weil wir einfach gar nicht wissen, was da jetzt mit der zweiten Welle auf uns zukommt.
Carina Scheming: Ja. Ich glaube, man ist ein bisschen entspannter als am Anfang, weil das am Anfang alles neu war. Ich glaube, man ist so ein bisschen eingespielt, man hat ja auch schon einiges geändert über den Sommer, obwohl da die Routine war, aber man hat ja einiges geändert. Abstand, nicht so viele Gruppen und, und, und, das ist ja alles mittlerweile fest verankert in uns. Deswegen glaube ich, dass es jetzt gerade ein bisschen entspannter ist als noch am Anfang. Aber ich glaube, dass sich das noch lange Zeit durchziehen wird. Und ich glaube nicht, dass wir so schnell wieder zur Routine finden wie im Sommer.
Mareen Guth: Das fürchte ich auch. Ich glaube auch, dass uns das noch ganz, ganz lange beschäftigen wird. Und ich glaube, dass wir da auch noch so ein paar mehr Angebote irgendwann entwickeln müssen. Die Klinikgruppe ist ja schon dabei, die hat ja jetzt schon diese Post-Corona-Reha-Angebote gemacht, aber ich glaube, dass wir auch grad bei uns in der Neurologie wahrscheinlich auch noch mal gucken müssen, was da tatsächlich dann auf uns zukommt und wie man dann zum Beispiel auch so diese Konzentrationsstörungen irgendwie besser aufdeckt oder sowas und behandelt. Das wird sicherlich noch spannend werden, das glaube ich auch.
Mareen Guth: [TC 00:19:59]
Mareen Guth: Wenn der Verwaltungsdirektor Tee an die Patienten ausschenkt – das Positive in der Krise
Gordon: Ich glaube, Historiker:innen sind sich jetzt schon einig, dass diese Pandemie etwas für die Geschichtsbücher sein wird. Es forderte von uns allen eine große Anpassungsfähigkeit. Wie hat sich denn das Miteinander im Team in dieser Zeit verändert?
Mareen Guth: Ich habe jetzt noch mal so rückblickend meine Mitarbeiter:innen aus der Pflege befragt und habe mal gefragt, was war denn jetzt mal auch, gab’s auch was Positives? Gab‘s auch sowas, was euch irgendwie da in der Krise auch irgendwie was Positives gebracht hat? Und ich fand es total eindrücklich, dass alle gesagt haben: das Team und der Zusammenhalt im Team. Und ich glaube, das ist auch wirklich der Tatsache geschuldet, dass wir ja damals auch auf dieser Station, wie du ja am Anfang sagtest, alle irgendwie so eng auf einmal zusammen waren.
Carina Scheming: In der Neurologie oder generell, versuchen wir ja auch wirklich, interdisziplinär zu arbeiten. Wir haben den Austausch ja durch die Teamrapports, in denen wir dann einmal wöchentlich zusammensitzen mit den Therapeut:innen, mit den Ärzt:innen, mit den Reha-Koordinator:innen, mit der Pflege. Was ich auch superwichtig finde, weil das auch einfach noch mal wichtig ist zu sehen, wie ist der in der Pflege und wie ist der in der Therapie und wie ist der vielleicht auch in der Visite? Das sind manchmal drei verschiedene Patient:innen, die man da ja sieht. Aber ich finde, dass wirklich durch Corona dieser Zusammenhalt, dieser persönliche Zusammenhalt, der ist auch noch mal gewachsen. Man hat einfach mal einen Einblick dahinter gekriegt, dass Pflege eben viel mehr ist als immer nur irgendwie Toilettengänge zu machen, dass da einfach so viel hinter steckt. Und auch genauso, glaube ich, umgekehrt zu sehen, was die Therapie eigentlich macht, weil ihr ja leider da oben jetzt nicht immer das meiste mitbekommt, was wir mit den Patienten machen. Wir erzählen es natürlich nur immer, aber so konntet ihr es auch einfach mal sehen. Und ich finde, dass dieses Betriebsklima einfach viel schöner geworden ist. Das war vorher auch schon immer sehr familiär, dadurch, dass man sich ja auch duzt und „guten Morgen“ sagt und so, aber es ist intensiver geworden. Man unterhält sich jetzt auch mal mit jemandem aus der Küche, mitten auf dem Flur, was man vielleicht vorher nicht gemacht hat. Nicht, weil man sich nicht mochte, aber es gab einfach keinen Anlass dazu. Und ich glaube, dass einfach in allen Professionen, in allen Abteilungen, der Zusammenhalt einfach ganz extrem gewachsen ist.
Mareen Guth: Ja. Das habe ich auch so gesehen und das war auch die Rückmeldung, die ich auch so aus meinem Team bekommen habe. Auch, weil auf einmal Professionen irgendwas übernommen haben, was sie vorher überhaupt noch nicht gemacht haben. Ich weiß, dass in der Zeit auf einmal, weil wir ja auf einmal alle Essen tablettieren mussten und die Küche nicht darauf eingestellt war, unser Patientenbegleitdienst, der sonst die Patient:innen zu den Therapien gefahren hat, in der Küche stand und Stullen geschmiert hat. Oder hier, unsere Oberärztin, die abends auf einmal auf der Station stand und mithalf, Essen auszuteilen. Und einmal war ja tatsächlich sogar der Verwaltungsdirektor da. Da hatten wir wirklich keinen mehr, der uns irgendwie noch unterstützen konnte und wir mussten abends das Essen austeilen für 100 Patient:innen. Das war quasi nach der ersten Welle, als wir schon wieder mehr Patient:innen hatten, und wir wussten gar nicht, wie wir das noch organisieren sollten, weil das war ja gar nicht in unseren Prozessen mit drin. Ich weiß noch, dass dann auf einmal der Verwaltungsdirektor abends dastand und anfängt, Tee auszuschenken für unsere Patient:innen. Das war wirklich sowas, wo man noch mal gemerkt hat, es funktioniert und man kann sich auch tatsächlich auf den anderen irgendwie so verlassen. Und wenn jetzt wirklich Not am Mann ist, dann tut der auch was, und dann unterstützt der dich auch. Ich glaube, das ist auch so nachhaltig noch geblieben.
Carina Scheming: Genau. Ich glaube, das prägt einfach. Das war ja auch einfach eine blöde beziehungsweise eine schlimme Zeit, man war ja auch generell sehr isoliert. Also so erging es mir. Ich habe irgendwie gefühlt nur die Klinik gehabt. Abends bin ich dann nach Hause gefahren vielleicht und noch einmal kurz zum Einkaufen und dann ab nach Hause, man hat ja auch viele Kontakte vermieden. Und es war unheimlich schön, dass man sich hier so auf die anderen verlassen konnte und dass man sich so wohlgefühlt hat. Ich finde, das gab dem ganzen Schlechten einfach noch mal einen schönen Beigeschmack.
Mareen Guth: Was für mich einfach auch total cool war, ich habe ja nun seit Jahren immer das Problem, dass ich auch Pflegekräfte suche und keine finde. Und dass dann ja quasi durch dieses Aushelfen, durch diesen Austausch miteinander und durch diesen Umstand, dass auch Therapeut:innen teilweise in der Pflege dort eingesetzt waren, ja nachher auf einmal tatsächlich sogar eine Physiotherapeutin zu mir angekommen ist und gesagt hat: Du, Pflege ist schon gut. Du weißt, wen ich meine?
Carina Scheming: Natürlich. Ja, das war ein Gefühl, was ab Tag eins da war. Ich kann das manchmal gar nicht richtig erklären. Es war einfach, ich habe mich ab dem ersten Tag wohlgefühlt. Es waren die Tätigkeiten, es war das Team, es war diese Nähe zum Patienten. Es war einfach ein Gefühl, was mich nicht sofort losgelassen hat. Ich habe auch erst mal für mich natürlich nachgedacht so, hm, Mensch, Therapie und du bist doch eigentlich gerne Physiotherapeutin im Neurozentrum, du liebst ja deine Neuropatient:innen. Und ich habe dann irgendwann doch die Entscheidung gefasst, einfach mal zu dir zu gehen und zu sagen, ich finde die Pflege einfach geil. Es war ein Gefühl, was unheimlich schön ist und ich freue mich jetzt unheimlich drauf, dass ich dann bald zur Pflege gehöre und nicht mehr zur Therapie.
Gordon: Vielen Dank, liebe Mareen und liebe Carina für den Einblick und vor allem für die Zeit, die ihr euch genommen habt. Ich wünsche euch beiden alles, alles Gute.
Gordon: O.k. liebe Zuhörerin, lieber Zuhörer, das war es mit dieser Nullfolge dieses Podcasts. Und ich bin sicher, dass du hier einiges mitnehmen konntest, einiges, von dem du bestimmt noch nie etwas gehört hast. Besonders spannend, wenn man das so sagen darf, fand ich diese Langzeitfolgen, die man haben kann, auch wenn man in der Akutphase vielleicht vergleichsweise wenig Symptome hatte. COVID-19 ist eine tückische Krankheit, die man nicht unterschätzen darf. Und vielleicht ist es aber jetzt an der Zeit, das Thema Corona gedanklich etwas weiter wegzupacken und sich an die „guten alten Zeiten“ zu erinnern, die davorlagen. Die nun kommenden Folgen sind, wie ich eingangs schon gesagt habe, Corona-frei und gerade aus diesem Grund vielleicht eine willkommene Abwechslung zum Alltag. Lasst uns also jetzt direkt in die nächste Folge gehen. Ich freue mich auf dich. Bis dahin, dein Gordon Schönwälder.
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